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Die Leiden eines Chinesen in China

Die Leiden eines Chinesen in China

Titel: Die Leiden eines Chinesen in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Oberrock und weißem Gürtel und bedeckt mit schwarzem Filzhut mit rother Aigrette. Hinter der Gruppe der, Freunde sollte ein Führer, scharlachroth von dem Kopf bis zu den Füßen, gehen und den Gong anschlagen, nach ihm aber ein Wagen fahren, der in einer Art Reliquienschrein das Bild des Entseelten enthielt Hierauf würde eine zweite Gruppe Freunde zu folgen haben; nämlich Diejenigen, welche der Reihe nach auf besonders dazu bereiteten Kissen in Ohnmacht zu fallen hatten. Endlich sollte sich ein Zug junger Leute unter einem großen, blau und goldenen Thronhimmel anschließen, denen die Aufgabe zufiel, kleine weiße und so wie die Sapeken mit einem Loche versehene Papierstückchen auszustreuen, welche dazu bestimmt waren, die bösen Geister zu vertreiben, die sich dem Aufzuge etwa anzuschließen versuchen könnten.
    Hierauf sollte der Katafalk folgen, überdacht von einem ungeheuren Palankin von violetter Seide mit Goldtroddeln, den fünfzig Diener inmitten einer Doppelreihe von Bonzen auf den Schultern zu tragen hatten. Die in grauen, rothen und gelben Gewändern einhergehenden Priester sollten dabei abwechselnd mit dem Donner der Gongs, dem Heulen der Flöten und den rauschenden Tönen der sechs Fuß langen Trompeten die letzten Gebete absingen.
    Hinter dem Katafalk sollten weiß überzogene Trauerwagen diesen pompösen Aufzug abschließen, dessen Unkosten die letzten Schätze des reichen Verstorbenen gerade aufzehrten.
    Dieses Programm nun enthielt immerhin nicht etwa etwas so Außergewöhnliches. Durch die Straßen von Canton, Shang-Haï oder Peking bewegten sich gar nicht so selten derartige Trauerzüge, in denen die Bewohner des Reiches der Mitte nichts Anderes sahen als eine ganz natürliche, den sterblichen Ueberresten des Verblichenen dargebrachte Huldigung.
    Am 20. desselben Monats traf eine aus Lian-Tchen abgesendete große Kiste unter Kin-Fo’s Adresse in dessen Wohnung zu Shang-Haï ein. Sie enthielt den sorgfältig verpackten Sarg des Adressaten. Weder Wang noch Soun oder ein anderer Diener in dem Yamen fanden darin etwas Absonderliches, denn wie gesagt, hält jeder Chinese streng darauf, die Truhe, in welcher er den ewigen Schlaf zu thun gedenkt, schon bei Lebzeiten zu besitzen.
    Dieser Sarg, übrigens ein Meisterwerk des Fabrikanten in Lian-Tcheu, wurde im »Ahnen«-Zimmer des Hauses untergebracht. Dort hätte er wohl, geschmückt, eingesalbt und angeräuchert, lange Zeit rasten können, ehe der Tag zu erwarten war, an dem ihn der Schüler des Philosophen Wang selbst nöthig hatte…. dem sollte aber nicht so sein. Kin-Fo’s Tage waren gezählt und die Stunde ziemlich nahe, mit der auch er in die Reihe der Vorfahren der Familie eintreten sollte.
    An dem nämlichen Abend faßte Kin-Fo den unabänderlichen Entschluß, diesem Jammerthale Lebewohl zu sagen.
    Im Laufe des Tages kam ein Schreiben der trostlosen Le-U an. Die junge Witwe stellte Kin-Fo Alles zur Verfügung, was sie besaß. Ihr galt der Reichthum nichts! Sie würde ihn zu entbehren wissen! Sie liebte ihn ja! Was brauchte er mehr? Sollten sie nicht auch unter bescheideneren Verhältnissen glücklich werden können?
    Auch dieser von zärtlichster Theilnahme eingegebene Brief vermochte an Kin-Fo’s Beschluß nichts zu ändern.
    »Nur mein Tod allein, kann ihr von Nutzen sein!« dachte er.
    Jetzt blieb ihm nur noch übrig, festzustellen, wie und wo er die letzte Hand an sich legen sollte. Kin-Fo fand ein gewisses Vergnügen daran, sich das ganz im Einzelnen zu überlegen. Er hoffte heimlich, daß ihm in jenem letzten Augenblicke, und wenn nur für ganz kurze Zeit, doch das Herz einmal vor innerer Erregung klopfen sollte.
    In der Umgebung des Yamen erhoben sich vier hübsche Kiosks, ausgeschmückt mit all der Phantasie, welche die chinesischen Künstler auszeichnet. Sie trugen besonders gewählte Namen: das Lusthaus des »Glücks«, das Kin-Fo niemals betrat; das Haus des »Reichthums«, das er nur mit tiefer Verachtung ansah; das Haus des »Vergnügens«, dessen Thüren für ihn schon seit langer Zeit geschlossen blieben, und das Haus des »langen Lebens«, das er schon hatte abbrechen lassen wollen.
    Sein Instinct leitete ihn heute, sich gerade für dieses Lusthaus zu entschließen. Er gedachte sich mit einbrechender Nacht dahin zu begeben. Dort sollte man ihn am nächsten Morgen, schon glücklich im Tode, auffinden.
    Nachdem der Ort bestimmt war, kam die Frage an die Reihe, wie er sterben solle. Sollte er sich den Bauch aufschlitzen, wie

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