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Die Leiden eines Chinesen in China

Die Leiden eines Chinesen in China

Titel: Die Leiden eines Chinesen in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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sich handelt, kann ein Freund dem Anderen nur ein einziges Mal erweisen! Ich entbinde Dich also von den neuntausendneunhundertneunundneunzig anderen und sage Dir im voraus, daß Du von meiner Seite auf keinen Dank rechnen darfst.
    – Auch der gewandteste Deuter räthselhafter Worte würde Dich doch nicht verstehen. Um was handelt es sich?
    – Wang, erklärte Kin-Fo ruhig, ich bin ruinirt.
    – Aha, aha! sagte der Philosoph in einem Tone, als erführe er eher eine angenehme, als eine so niederschlagende Nachricht.
    – Ein Brief, den ich bei unserer Rückkehr von Canton hier vorfand, fuhr Kin-Fo fort, meldete mir das Fallissement der Californischen Centralbank. Außer diesem Yamen und einer kleinen Summe, welche mir noch einen oder zwei Monate das Leben fristet, besitze ich nichts mehr.
    – Der steinreiche Kin-Fo ist es also nicht mehr, fragte Wang mit einem scharf beobachtenden Blicke auf seinen Schüler, der hier zu mir spricht?
    – Nein, nur der arme Kin-Fo, den seine Armuth übrigens nicht im mindesten erschreckt.
    – Wohl gesprochen, mein Sohn, antwortete der Philosoph aufstehend. Ich habe also meine Zeit nicht damit vergeudet, daß ich Dir die Lehren der Weisheit einzuprägen suchte. Bisher vegetirtest Du nur ohne Geschmack am Leben, ohne Leidenschaften, ohne Kämpfe! Nun wirst Du wirklich leben lernen. Die Zukunft gestaltet sich Dir anders. Immerhin sagte der große Confucius, es ereignet sich stets weniger Unglück, als man fürchtet! Nun werden wir uns die tägliche Reissuppe verdienen müssen. Die »Nun-Schum« lehrt uns, daß es auf Erden Hohe und Niedere geben muß. Immer wendet sich das Rad des Glücks, und der Frühlingswind wechselt stets. Ob reich, ob arm, daß man seine Pflicht erfüllt, ist die Hauptsache. Komm, laß uns fortgehen von hier!«
    Wang, als praktischer Philosoph, war wirklich bereit, die prächtige Wohnung sofort und auf immer zu verlassen.
    Kin-Fo hielt ihn zurück.
    »Ich sagte Dir zwar, daß die Armuth mich nicht erschreckt, begann er, aber ich füge Dir auch hinzu, daß ich entschlossen bin, sie nicht zu ertragen!
    – Wie, erwiderte Wang, Du willst also….
    – Sterben!
    – Sterben! wiederholte der Philosoph sehr ruhig. Wer mit der Absicht umgeht, seinen Lebensfaden mit eigener Hand zu zerreißen, spricht davon gegen keinen Anderen.
    – Es wäre schon Alles abgethan, erwiderte Kin-Fo mit einer Seelenruhe, die der des Philosophen in keiner Weise nachstand, wenn ich nicht wünschte, daß mein Tod wenigstens mich zum ersten und letzten Male erregte. Als ich aber im Begriffe war, eine von den Dir bekannten Opiumpillen zu verschlucken, schlug mir das Herz so wenig, daß ich das Gift wegwarf und Dich aufsuchte.
    – Du willst vielleicht, daß wir zusammen in den Tod gehen sollen? fragte Wang lächelnd.
    – O nein, entgegnete Kin-Fo schnell, Du mußt leben bleiben!
    – Weshalb?
    – Deine Hand soll mir den Tod geben!«
    Auch bei dieser unerwarteten Zumuthung erzitterte Wang nicht. Kin-Fo glaubte aber, als er ihn aufmerksam ansah, in seinen Augen ein lebhafteres, Feuer zu bemerken. Erwachte vielleicht der frühere Taï-Ping wieder in ihm? Sollte er dem Verlangen seines Schülers wirklich ohne alles Zögern entsprechen können? Achtzehn lange Jahre wären über das allmälich ergraute Haupt dahin gegangen, ohne den Blutdurst der Jugendjahre auslöschen zu können? Für den Sohn seines einstmaligen Retters hatte er kein Wort der Abmahnung? Ohne Gewissensbisse übernahm er es, Den von der Last dieses Lebens zu befreien, gegen den er doch gewiß nicht den mindesten Groll hegte! Ja, ja, er, Wang, der Philosoph, er war das im Stande.
    Jenes aufleuchtende Feuer erlosch jedoch sofort wieder. Wang nahm wieder die gewöhnliche ehrliche Physiognomie an und erschien höchstens etwas ernsthafter.
    Dann setzte er sich wieder.
    »Das ist also wohl der Liebesdienst, den Du von mir verlangen wolltest? sagte er.
    – Ja, bestätigte Kin-Fo, und dieser Dienst entledigt Dich aller Schuld, die Du gegen Tchung-Heu und dessen Sohn in Deiner Einbildung nur irgend haben könntest.
    – Nun, und was soll ich thun?
    – Zwischen heute und dem fünfundzwanzigsten Juni, merke wohl, dem achtundzwanzigsten Tage des sechsten Mondes, dem Tage, Wang, an dem mein einunddreißigstes Lebensjahr zu Ende geht – muß ich aufgehört haben zu leben!
    Ich muß auch durch Deine Hand fallen, gleichviel, ob von vorn oder hinten, gleichviel wo oder wie, ob am Tage oder in der Nacht, ob stehend, sitzend, liegend, wachend oder

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