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Die Leiden eines Chinesen in China

Die Leiden eines Chinesen in China

Titel: Die Leiden eines Chinesen in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Hier erschienen der Kaufmann Yin-Pang und der Gelehrte Hual; ferner einige Mandarinen in officieller Kopfbedeckung mit rothem, taubeneigroßem Knopfe als Zeichen, daß sie unter die ersten drei Ordnungen gehörten, Andere von niedrigerem Range hatten nur blaue oder weiße Knöpfe. Die meisten Theilnehmer bestanden aus Civilbeamten von chinesischer Herkunft, was sich wohl von selbst versteht, da der Gastgeber aus Shang-Haï der tatarischen Race abhold war. Alle trugen die besten Kleider von prächtigen Stoffen nebst festlichem Kopfschmuck und bildeten eine wahrhaft glänzende Versammlung.
    Kin-Fo erwartete sie, wie es die Höflichkeit erforderte, am Eingang des Hôtels. Sobald sie ankamen, führte er sie nach dem Empfangssalon, wobei er dieselben stets zweimal bat, durch die von Dienern geöffneten Thüren vor ihm einzutreten. Er nannte Alle mit ihren »vornehmen Namen«, erkundigte sich nach ihrer »vornehmen Gesundheit« und nach ihrer »vornehmen Familie«.
    Auch der peinlichste Beobachter und gründlichste Kenner dieser läppischen Höflichkeitsbezeugungen hätte ihm keinen Verstoß gegen dieselben nachweisen können.
    Craig und Fry bewunderten seine Gewandtheit; trotz aller Bewunderung verloren sie jedoch den ihrer Sorge anvertrauten Clienten nie aus den Augen.
    Beiden war nämlich plötzlich ein und derselbe Gedanke gekommen. Wie, wenn nun, obwohl das kaum möglich schien, Wang doch nicht in den Wellen des Flusses umgekommen wäre?
    Wenn er sich unbemerkt unter die Zahl der Gäste mischte?… Noch hatte ja die vierundzwanzigste Stunde des 25. Juni – die letzte der gewährten Frist – nicht geschlagen. Noch war die Hand des alten Taï-Ping nicht entwaffnet! Wenn er nun im letzten Augenblick…?
    Nein, das konnte man kaum annehmen, und doch schien es nicht unmöglich.
    Aus gewohnter Vorsicht musterten Craig und Fry sorgsam alle Anwesenden… Kein verdächtiges Gesicht befand sich darunter.
    Inzwischen verließ die zukünftige Gattin ihr Haus in der Cha-Chua-Allee und nahm in einer verschlossenen Sänfte Platz.
    Hatte Kin-Fo auch nicht die Kleidung eines Mandarinen angelegt – ein Recht, das jedem Bräutigam zusteht zu Ehren der Vermählung, auf welches die alten Gesetzgeber einen hohen Werth legten – so befolgte Le-U desto strenger alle in der vornehmen Gesellschaft giltigen Regeln. Sie glänzte in vollkommen rother, aus schweren, gestickten Seidenstoffen hergestellter Toilette. Ihr Gesicht verbarg sich sozusagen hinter einem Schleier feiner Perlen, welche von dem reichen, die Stirn begrenzenden goldenen Diadem herabzutropfen schienen. Köstliche Steine und künstliche Blumen schmückten ihr volles Haar und ihre langen Zöpfe. Kin-Fo mußte sie noch reizender finden als bisher, wenn sie aus der Sänfte steigen würde, die seine Hand bald öffnen sollte.
    Der Zug setzte sich in Bewegung. Er überschritt die Straßenkreuzung nach der Großen Allee zu und folgte dann dem Boulevard Tiene-Men. Es wäre gewiß mehr Pracht entfaltet worden, wenn es sich statt um eine Hochzeit um eine Beerdigung gehandelt hätte, doch erregte der Zug auch jetzt schon die Aufmerksamkeit der Leute auf der Straße.
    Freundinnen und Jugendgefährtinnen Le-U’s folgten dem Palankin und trugen die verschiedenen Stücke des Brautschatzes zur Schau. Voraus gingen etwa zwanzig Musiker, die mit ihren Kupfer-Instrumenten, unter denen sich auch ein Gong befand, einen Heidenlärm zu machen wußten. Um die Sänfte herum schwärmten eine Menge Träger mit Fackeln und bunten Laternen. Die Braut selbst blieb allen Blicken entzogen. Der Etiquette gemäß durfte sie eben Niemand eher sehen als der zukünftige Gatte.
    So kam der Zug inmitten einer jubelnden Volksmenge gegen acht Uhr Abends am »Hotel des Himmlischen Glückes« an.
    Kin-Fo stand mit seinen Freunden vor dem reich geschmückten Eingang. Er erwartete den Palankin, um sofort dessen Thür zu öffnen. Nachher schrieb ihm die Pflicht vor, die Braut nach einem besonderen Zimmer zu geleiten, wo Beide viermal den Himmel anrufen sollten. Erst darauf erschien das Paar bei dem Festmahle. Die Braut mußte vor dem Erwählten viermal auf die Kniee fallen, Letzterer vor ihr ebenfalls zweimal. Dann verspritzten Beide einige Tropfen Wein als Sühnopfer und boten den »Vermittelnden Geistern« Speise und Trank an. Zuletzt sollte man ihnen zwei gefüllte Becher bringen, welche sie zur Hälfte zu leeren hatten; der Rest wird endlich gemengt und von den Verlobten gemeinschaftlich getrunken, womit die

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