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Die Leiden eines Chinesen in China

Die Leiden eines Chinesen in China

Titel: Die Leiden eines Chinesen in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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blutdürstigen Lao-Shen ihn nicht würde erreichen können? Kin-Fo hielt der jungen Frau dagegen ein, daß es ihm unmöglich sein werde, unter diesem fortwährenden Bedrohtsein zu leben, der Gnade eines solchen Schurken anheimgegeben zu sein und für immer eine ungewisse Zukunft vor sich zu haben. Nein! dem mußte nun ein für alle Mal ein Ende gemacht werden. Kin-Fo und seine getreuen Akolythen wollten noch an demselben Tage aufbrechen, den Taï-Ping aufsuchen, ihm den so unerwartet folgenschweren Brief um jeden Fall abkaufen und gedachten nach Peking vor der Aufhebung des kaiserlichen Erlasses zurückzukehren.
    »Liebe kleine Schwester, redete Kin-Fo die Verlobte an, jetzt bin ich fast zufrieden damit, daß unsere Hochzeit auf kurze Zeit verschoben werden mußte! Wie unglücklich wären wir, wenn sie schon vorüber wäre!
    – O, dann hätte ich das Recht und die Pflicht, Dir zu folgen und würde das gewiß auch thun! erwiderte Le-U.
    – Nein, entgegnete Kin-Fo, lieber würde ich tausendmal den Tod erleiden, als Dich nur einer Gefahr aussetzen!… Leb’ wohl, Le-U, leb’ wohl!…«
    Mit feuchten Augen entriß sich Kin-Fo den Armen der jungen Frau, die ihn zurückzuhalten suchten.
    Noch an dem nämlichen Tage verließen Kin-Fo, Craig und Fry, gefolgt von Soun, der nun einmal keinen Augenblick Ruhe genießen sollte, Peking und begaben sich zunächst nach Tong-Tcheu, das sie binnen einer Stunde erreichten.
    Inzwischen hatte man sich auch über die nächsten Schritte verständigt.
    Eine Reise über Land, quer durch mehrere ziemlich unsichere Provinzen bot voraussichtlich zu viel Schwierigkeiten.
    Hätte es sich nur darum gehandelt, bis zur Großen Mauer im Norden der Hauptstadt vorzudringen, so hätte man sich trotz der Gefahren dieses etwa hundertsechzig Li (etwa einundsiebzig Kilometer) langen Weges doch vielleicht für denselben entschieden. Der Hafen von Fu-Ning lag aber nicht eigentlich im Norden, sondern im Nordosten des Reiches. Die Wasserstraße versprach unbedingt mehr Sicherheit und Zeitgewinn. Ueber das Meer gehend, konnten Kin-Fo und seine Begleiter binnen vier bis fünf Tagen dort ankommen und sich über die weiter zu thuenden Schritte einigen.
    Jetzt mußte man sich erst darüber vergewissern, ob auch bald ein Schiff nach Fu-Ning abging, worüber ja die Schiffscommissionäre in Tong-Tcheu unterrichtet sein mußten.
    Gegenüber dem Unglück, das sonst seinen Fersen folgte, begünstigte diesmal der Zufall Kin-Fo’s Absicht. Ein Fahrzeug, das nach Fu-Ning geladen hatte, lag an der Mündung des Peï-Ho.
    Sofort wollte man nun einen jener schnellen Dampfer besteigen, welche den Strom befahren, und auf dem bezeichneten Schiffe an Bord gehen.
    Craig und Fry hatten vorher nur eine Stunde zu den nothwendigsten Vorbereitungen beansprucht, die sie dazu verwendeten, alle denkbaren Rettungsapparate einzukaufen, von dem einfachen Gürtel bis zu der gegen das Versinken sichernden Kleidung des Kapitän Boyton. Kin-Fo war ja noch immer 200.000 Dollars werth. Er begab sich auf’s Meer ohne Zahlung einer Extraprämie, da er ja alle Gefahren versichert hatte. Ein Unglücksfall war dabei nicht gänzlich ausgeschlossen. Man mußte sich also vorsehen und that das auch nach jeder Seite hin.
    Am 26. Juni zu Mittag betraten Kin-Fo, Craig, Fry und Soun also den »Peï-Tang« und fuhren mit demselben den Peï-Ho hinab. Der Strom verläuft in so starken Krümmungen, daß die Länge desselben von Tong-Tcheu bis zur Mündung wohl das Doppelte der Luftlinie beträgt; er ist jedoch kanalisirt und auch für Schiffe von großem Tiefgang fahrbar. Der Schiffsverkehr auf demselben ist daher auch sehr lebhaft und übertrifft beiweitem den auf der Landstraße, welche ziemlich parallel mit ihm verläuft.
    Rasch glitt der »Peï-Tang« zwischen den Baken des Stromes hinab, peitschte mit seinen Schaufelrädern dessen gelbliche Fluthen und trieb die dem Ufer nachtreibenden Wellen in die Bewässerungskanäle zu beiden Seiten. Bald kam man an dem hohen Thurm einer Pagode in der Nähe von Tong-Tcheu vorüber, welche bei einer scharfen Biegung des Flusses ebenso schnell den Blicken wieder entschwand.
    In dieser Gegend ist der Peï-Ho noch nicht besonders breit. Er strömt abwechselnd dahin zwischen sandigen Dünen, kleinen Meiereien, in ziemlich bewaldeter Landschaft mit Obstgärten und lebenden Hecken. Von bedeutenderen Ortschaften liegen an dessen Ufern Matao, He-Si-Vu, Nane-Tsae und Yang-Tsune, wo sich schon der Wechsel von Ebbe und Fluth

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