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Die Leiden eines Chinesen in China

Die Leiden eines Chinesen in China

Titel: Die Leiden eines Chinesen in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Pan-Hoei-Pan:
    »Besitzt ein Weib einen Mann nach ihrem Herzen, so soll das für das ganze Leben sein.
    »Die Frau soll eine unbegrenzte Achtung vor Dem haben, dessen Namen sie trägt, und unausgesetzt auf sich selbst aufmerksam sein.
    »Die Frau soll im Hause sein wie ein bloßer Schatten und wie ein einfaches Echo.
    »Der Gatte ist der Himmel der Gattin.«
    Inzwischen schritten die Vorbereitungen zu dem Hochzeitsfeste, das Kin-Fo mit allem Glanze gefeiert wissen wollte, weiter vorwärts.
    Schon standen die dreißig Paar gestickter Schuhe, welche zur Ausstattung einer Chinesin gehören, in der Wohnung an der Cha-Chua-Allee. Die Zuckerbäckereien der Firma Sinnyane, als Confituren, trockene Früchte, Mandeln, Gerstenzucker, Prünellensyrup, Orangen, Ingwer, Pomeranzen, auch prächtige Seidenstoffe, Schmucke aus kostbaren Steinen und seinem ciselirten Gold, Spangen, Armbänder, Nagel-Etuis, Kopfnadeln u.s.w., kurz alle die reizenden, phantastischen Erzeugnisse der Kunstfertigkeit Pekings sammelten sich in Le-U’s Zimmer an.
    In dem nach allen Seiten so eigenartigen Reich der Mitte erhält eine sich verheirathende Tochter keinerlei Mitgift. Sie wird von den Eltern des Mannes oder auch von diesem selbst wirklich gekauft, und auch wenn sie keine Brüder hat, kann sie von dem väterlichen Vermögen nur dann einen Antheil erben, wenn das von Seite des Vaters ausdrücklich erklärt ist. Diese Verhältnisse werden gewöhnlich durch Zwischenhändler, sogenannte »Mei-jin«, geordnet und eine Heirath nicht eher abgeschlossen, als bis man sich in dieser Hinsicht geeinigt hat.
    Die Braut wird hierauf den Eltern des zukünftigen Gatten vorgestellt. Dieser selbst bekommt sie nicht zu sehen. Er erblickt dieselbe zum ersten Male, wenn sie in verschlossener Sänfte an dem Hause des bestimmten Gatten anlangt. Nun erhält der Letztere den Schlüssel der Sänfte. Er öffnet deren Thür. Ist ihm die Braut genehm, so bietet er ihr die Hand; gefällt sie ihm nicht, so wirst er einfach die Thür zu und Alles ist aufgehoben, nur daß die Eltern des jungen Mädchens das bedungene Aufgeld behalten.
    Bei der Verheirathung Kin-Fo’s lagen die Sachen ja ganz anders. Er kannte die junge Frau und brauchte sie von Niemand zu kaufen. Damit gestaltete sich Alles weit einfacher.
    Der 25. Juni kam heran.
    Der Sitte gemäß blieb das Haus Le-U’s drei Tage lang vorher im Innern erleuchtet. Drei Nächte hindurch mußte Frau Butalu, welche die Familie der Zukünftigen repräsentirte, sich jedes Schlafes enthalten, ein Gebrauch, durch den man seine Trauer zu erkennen giebt, wenn die Braut das Vaterhaus verlassen soll. Hätte Kin-Fo noch Eltern gehabt, so würde auch sein Haus zum Zeichen der Trauer beleuchtet worden sein, weil man die Heirath des Sohnes gewissermaßen als den Tod des Vaters betrachtet, dem der Erstere nun zu folgen scheint, sagt der Hao-Khieu-Tchuen.
    Konnte man bei der Vereinigung der bezüglich ihrer Person völlig unabhängigen Verlobten auch von mancher Förmlichkeit absehen, so mußte man doch einige andere unbedingt beachten.
    So wurden der Sitte entsprechend die Astrologen befragt. Das nach allen Regeln der Kunst gestellte Horoskop deutete auf eine völlige Uebereinstimmung der Wünsche des Brautpaares. Die Zeit des Jahres und das Alter des Mondes zeigten sich günstig. Noch nie wurde eine Hochzeit unter so vortrefflichen Aussichten vollzogen.
    Der Empfang der Braut sollte um acht Uhr Abends im Hôtel zum »Himmlischen Glück« stattfinden, d.h. die Gattin sollte dem Gatten dorthin, als dessen zeitweiliger Wohnung, zugeführt werden. In China bedarf es bei einer solchen Gelegenheit niemals ebensowenig einer weltlichen Behörde, wie der Mitwirkung eines Priesters, eines Bonzen, Lamas oder eines Anderen.
    Um sieben Uhr empfing Kin-Fo, stets in Gesellschaft Craig’s und Fry’s, beide Letztere immer in derselben feierlichen Haltung, wie bei einer europäischen Hochzeit, die geladenen Freunde an der Schwelle seines Zimmers.
    Welche Verschwendung von Höflichkeiten! Die vornehmen Gäste hatten eine Einladung auf rothem Papier mit einigen Linien in mikroskopisch kleinen Schriftzügen erhalten: »Herr Kin-Fo aus Shang-Haï, so lauteten dieselben, grüßt demüthig Herrn…. und bittet ihn noch demüthiger…. der erbärmlichen Ceremonie beizuwohnen…. u.s.w.«
    Alle haben sich eingestellt, um das verlobte Paar zu ehren und an dem reichlichen Festessen für Herren theilzunehmen, während für die Damen eine besondere Tafel servirt war.

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