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Die Leiden eines Chinesen in China

Die Leiden eines Chinesen in China

Titel: Die Leiden eines Chinesen in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Geschrei, das jedoch binnen wenigen Minuten wieder schwieg. Dann ein Klatschen und Plätschern längs der Dschonke, als ob man schwere Körper herunterwerfe.
    Nein, Kapitän Yin und seine Leute waren nicht die Helfershelfer des Räubers Lao-Shen! Im Gegentheile wurden die armen Leute selbst überrascht und elend hingemordet. Die Schurken, welche sich wahrscheinlich mit Hilfe der Verfrachter in Taku an Bord zu verbergen wußten, gingen dabei nur darauf aus, sich für den Taï-Ping der Dschonke zu bemächtigen, und ahnten gewiß nicht, daß Kin-Fo sich auf der »Sam-Yep« als Passagier befand.
    Hätte man ihn freilich gesehen und erwischt, so würden weder er noch Craig-Fry oder Soun von den Banditen verschont worden sein.
    Die Dschonke näherte sich immer mehr, sie erreichte sie, doch unerwarteter Weise fiel der Schatten der Segel auf die Schwimmenden.
    Diese tauchten einen Augenblick unter.
    Als sie die Köpfe wieder hoben, war die Dschonke vorübergerauscht, ohne Jemand bemerkt zu haben, und segelte rasch weiter.
    In ihrem Kielwasser schwamm ein Leichnam, der nach und nach in die Nachbarschaft der Skaphander getrieben wurde.
    Es war der Körper des Kapitäns mit einem Dolche in der Seite. Die weiten Falten seines Oberkleides hielten ihn noch über Wasser.
    Dann versank er und verschwand in der Tiefe des Meeres.
    So endete der lustige Kapitän Yin, der Befehlshaber der »Sam-Yep«.
    Zehn Minuten später war die Dschonke nach Westen hin verschwunden und Kin-Fo, Craig-Fry und Soun befanden sich allein auf der ungeheuren Wasserfläche.
Zwanzigstes Capitel.
In dem man sehen wird, welchem Zufälligkeiten Leute ausgesetzt sind, die sich der Apparate des Kapitän Boyton bedienen.
    Nach drei Stunden graute allmählich der Tag am Horizont. Bald ward es ganz hell, so daß man das Meer in seiner ganzen Ausdehnung übersehen konnte. Die Dschonke war nicht mehr sichtbar. Sie hatte die Skaphander, die sie an Schnelligkeit der Bewegung übertraf, schon weit überholt. Letztere hielten zwar denselben Weg ein und segelten mit derselben Brise, doch die »Sam-Yep« mochte sich jetzt wenigstens schon drei Meilen unter dem Winde von ihnen befinden. Von ihrer Seite hatte man also kaum noch etwas zu fürchten.
    Trotz Vermeidung der zunächst drohenden Gefahr war die Situation jedoch keineswegs eine günstige zu nennen.
    Ringsum lag das Meer verlassen. Kein Fahrzeug, keine Fischerbarke in Sicht. Nirgends Land, weder im Norden, noch im Westen. Nichts, was die Nähe einer Küste verrathen hätte. Dazu herrschte eine völlige Ungewißheit, ob diese Gewässer dem Golfe von Pe-Tche-Li oder dem Gelben Meere angehörten.
    Noch bewegte ein schwacher Wind die Oberfläche, von dem Niemand wußte, wie lange er anhalten würde. Die von der Dschonke gesteuerte Richtung bewies, daß sich – in größerer oder geringerer Entfernung von hier – im Westen das Land befinden mußte, daß man es nur dort zu suchen habe.
    Die Skaphander sollten also baldigst wieder unter Segel gehen, wenigstens nachdem sie sich einigermaßen gestärkt hatten. Die Magen verlangten ihr Recht, und zwar nach einer zehnstündigen Fahrt unter solchen Umständen ziemlich stürmisch.
    »Wir wollen frühstücken, sagte Craig.
    – Und zwar tüchtig!« fügte Fry hinzu.
    Kin-Fo gab durch ein Zeichen seine Zustimmung zu erkennen, und Soun bewegte die Kinnladen in einer Weise, daß sich Niemand darüber täuschen konnte, was er damit sagen wolle. Jetzt, wo ihn der Hunger quälte, dachte er nicht mehr an die Gefahr, auf der Stelle selbst aufgefressen zu werden.
    Fry brachte hierauf aus dem wasserdichten Sacke verschiedene wohlerhaltene Nahrungsmittel, wie Brot, Conserven, einiges Tischgeräth, kurz alles Nothwendige zur Stillung des Hungers und Durstes. Zwar fehlten diesmal von den hundert Gerichten, die sonst auf einer chinesischen Tafel erscheinen, nicht weniger als achtundneunzig, der Rest genügte aber doch, die vier Leute zu befriedigen, und unter den gegebenen Umständen war es ja nicht am Platze, sich besonders wählerisch zu erweisen.
    Man frühstückte also, und zwar mit gutem Appetit. Der Sack enthielt Vorräthe für zwei Tage. Entweder kam man vor Ablauf dieser zwei Tage an’s Land oder – niemals.
    »Wir haben aber die beste Hoffnung, bemerkte Craig.
    – Ich möchte wohl wissen warum? fragte Kin-Fo mit etwas ironischem Lächeln.
    – Weil uns das Glück wieder hold ist, antwortete Fry.
    – Sie finden wirklich?
    – Gewiß, fuhr Craig fort, da wir der schlimmsten Gefahr,

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