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Die Leiden eines Chinesen in China

Die Leiden eines Chinesen in China

Titel: Die Leiden eines Chinesen in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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»Sam-Yep« in Sicht bleibt, ist noch keineswegs jede Gefahr vorüber.
    – Nun, was sollen wir dagegen thun? fragte Kin-Fo.
    – Einige Kräfte sammeln, antwortete Fry, und so weit zu entkommen suchen, daß wir auch bei Tagesanbruch nicht mehr sichtbar sind!«
    Fry blies noch mehr Luft in seinen Apparat und erhob sich dadurch mit dem halben Körper über das Wasser. Er zog darauf den angehängten Beutel bis zur Brust empor, öffnete ihn und nahm daraus eine kleine Flasche und ein Gläschen, das er, mit stärkendem Branntwein gefüllt, seinem Clienten darreichte.
    Kin-Fo ließ sich nicht erst bitten, sondern leerte das Glas bis zum letzten Tropfen. Craig-Fry thaten desgleichen und auch Soun ward nicht vergessen.
    »Es geht…? fragte ihn Craig.
    – Besser! antwortete Soun, nachdem er getrunken. Vorzüglich, wenn wir etwas Kräftiges zu beißen hätten.
    – Morgen Früh, tröstete ihn Craig, werden wir mit Tagesanbruch frühstücken und auch einige Tassen Thee….
    – Kalten? unterbrach ihn Soun mit einer Grimasse.
    – Nein, warmen! versicherte Craig.
    – Sie werden Feuer anzünden?
    – Natürlich.
    – Weshalb dann bis morgen warten? fragte Sonn.
    – Wollen Sie denn, daß der Feuerschein uns dem Kapitän Yin und seinen Helfershelfern verrathen soll?
    – Um Gotteswillen, nein!
    – Nun also, Geduld bis morgen!«
    Wahrlich, die Leutchen plauderten, als wären sie »zu Haus«. Der leichte Seegang hob und senkte sie nur abwechselnd ein wenig, was einen fast komischen Anblick gewährte. Sie stiegen je nach den Wellen hinauf oder herab, wie die Hammer eines Pianos, wenn dessen Tasten angeschlagen werden.
    »Die Brise frischt etwas auf! bemerkte Kin-Fo.
    – So lichten wir die Anker!« antworteten Craig-Fry.
    Sofort wurden die Stöcke eingesetzt und die kleinen Segel daran befestigt, als Soun plötzlich einen jämmerlichen Schrei ausstieß.
    »Wirst Du schweigen, Dummkopf! rief sein Herr ihn an. Willst Du uns denn verrathen?
    – Ich glaubte…. ich sah, murmelte Soun.
    – Was denn?
    – Ein furchtbares Thier, das heranschlich… Wahrscheinlich ein Hai!…
    – Eine Täuschung, Soun! beruhigte ihn Craig, nachdem er sich rings umgesehen.
    – Aber mir war’s, als fühlte ich…. heulte Soun weiter.
    – Schweige nun, Hasenfuß! sagte Kin-Fo, indem er eine Hand auf die Schulter des Dieners legte. Und wenn Du einen Hai schon an Deinem Beine fühlst, verbiete ich Dir, zu schreien, oder…
    – Oder, fügte Fry hinzu, einen Messerschnitt in seinen Apparat und wir senken ihn in die Tiefe, wo er schreien mag nach Herzenslust!«
    Die Qualen des unglücklichen Soun fanden also noch kein Ende. Die Angst marterte ihn zwar jämmerlich, doch wagte er nicht mehr, einen Laut von sich zu geben. Wenn er sich jetzt auch noch nicht nach der Dschonke, der Seekrankheit und den Passagieren des Schiffsraumes zurücksehnte, so konnte das doch nicht mehr lange dauern.
    Wie Kin-Fo gesagt, nahm die Brise ein wenig zu; es war aber nichts als einer jener Localwinde, welche meist mit Aufgang der Sonne wieder aufhören. Nichtsdestoweniger mußte man denselben benützen, um so weit als möglich von der »Sam-Yep« hinwegzukommen. Wenn Lao-Shen’s Leute Kin-Fo nicht mehr in seiner Cabine trafen, würden sie gewiß nach ihm suchen, und war er dann noch in Sicht, so mußte es für ein Boot ein Leichtes sein, ihn wieder einzufangen. Um jeden Preis galt es jetzt, vor dem Morgengrauen möglichst weit zu entfliehen.
    Der Wind wehte von Osten. Wohin auch die Dschonke von dem Orkan verschlagen sein mochte, ob nach dem Golfe Leao-Tong, nach dem von Pe-Tche-Li oder gar nach dem Gelben Meere hinaus, jedenfalls näherte man sich der Küste, wenn man nach Westen gelangte. Dort konnte man wohl darauf rechnen, einem Handelsschiffe zu begegnen, das nach der Mündung des Peï-Ho segelte. Dort kreuzten Tag und Nacht Fischerboote in der Nähe der Küste. Die Aussicht, irgendwo Aufnahme zu finden, wuchs damit in verstärktem Maße. Blies jetzt der Wind dagegen aus Westen und war die »Sam-Yep« weiter südlich als das Ufer von Korea verschlagen worden, so winkte Kin-Fo und seinen Leidensgefährten freilich keine Rettung mehr. Vor ihnen dehnte sich dann das endlose Meer aus, und trieben sie auch bis zu den Küsten Japans, so konnten sie damit nur als Leichen ankommen, die in ihrer unversenkbaren Kautschukhülle an’s Land geschwommen wären.
    Doch, wie gesagt, aller Wahrscheinlichkeit nach legte sich die Brise wieder mit Aufgang der Sonne, und man mußte sie

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