Die Leiden eines Chinesen in China
günstiges Vorzeichen.
Eine Stunde später verirrten sich die Skaphander in ein Sargasso-Netz, aus dem sie sich nur mit Mühe wieder befreiten. Sie verwickelten sich darin wie die Fische in den Maschen eines Sacknetzes. Man mußte die Messer zu Hilfe nehmen, um mittelst derselben einen Ausweg zu bahnen. Damit verlor man eine gute halbe Stunde und daneben auch viel Kräfte, welche besser hätten verwendet werden können.
Um vier Uhr hielt die kleine schwimmende Gesellschaft höchst erschöpft auf’s Neue an. Eben erhob sich eine ziemlich frische Brise, aber von Süden her. Das war recht mißlich. Denn damit kamen die Skaphander in die Lage eines Schiffes, das sich nur durch das Steuerruder in seinem Kurs zu erhalten vermochte. Entfaltete man die Segel, so drohte die Gefahr, nach Norden hin verschlagen zu werden und einen Theil des Weges einzubüßen, den man schon nach Westen zurückgelegt hatte. Gleichzeitig wurde auch der Seegang lebhafter, die Wellen plätscherten stark und machten die Situation recht unangenehm.
Die Rast dauerte ziemlich lange. Man wollte nicht nur ausruhen, sondern suchte sich auch durch Nahrung zu stärken. Das Mittagsessen verlief weniger heiter als das Frühstück. In einigen Stunden sollte es schon wieder Nacht werden. Der Wind blies kräftiger. Was war zu thun?
Kin-Fo sprach, gestützt auf seine Pagaie, die Stirn gefaltet und mehr erbittert als beunruhigt über das Mißgeschick, das ihn verfolgte, kaum ein Wort. Sonn jammerte ohne Unterlaß und nieste schon wie Einer, den ein entsetzlicher Schnupfen bedroht.
Craig und Fry fühlten es heraus, daß die anderen Beiden sie stillschweigend um ihre Meinung fragten, doch wußten sie jetzt nichts mehr zu antworten.
Da half ein glücklicher Zufall das lange Schweigen brechen.
Kurz vor fünf Uhr streckten Craig und Fry gleichzeitig die Hand nach Süden hin aus und riefen:
»Ein Segel! Dort ein Segel!« Wirklich erschien, etwa drei Meilen unter dem Winde, ein Fahrzeug, das mit vollen Segeln daherkam. Wenn es den augenblicklich gesteuerten Kurs einhielt, mußte es voraussichtlich nahe an der Stelle vorbeikommen, wo Kin-Fo und seine Begleiter rasteten.
Jetzt hatte man also weiter nichts zu thun, als sich ein Stückchen weiter zu bewegen, um jenem sicher zu begegnen.
Die Skaphander zögerten keinen Augenblick. Die Hoffnung gab ihnen neue Kräfte. Jetzt hatten sie die Rettung sozusagen in den Händen, und es lag an ihnen, sie festzuhalten.
Die Richtung des Windes gestattete leider nicht die Benützung der kleinen Segel, doch mußten für die nur geringe Entfernung die Ruder wohl ausreichen.
Allmählich erschien das Fahrzeug deutlicher und größer. Es war nur eine Fischerbarke, deren Anwesenheit die Gewißheit gab, daß die Küste nicht fern sein könne, da sich die chinesischen Fischer niemals weit in die See hinaus wagen.
»Kräftig! Kräftig!« riefen Craig-Fry, die darauf losruderten, was sie konnten.
Sie hatten kaum nöthig, ihre Gefährten zur Eile anzuspornen. Kin-Fo flog, lang auf dem Wasser ausgestreckt, wie ein Kaperschiff dahin. Soun übertraf sich selbst und arbeitete sich sogar allen Anderen voraus, so sehr fürchtete er, zurückgelassen zu werden.
Man hatte etwa eine halbe Meile weit zu rudern, um den Weg des Fahrzeuges zu kreuzen. Noch war es heller Tag, doch wenn die Skaphander auch der Barke nicht so nahe kommen sollten, um leicht gesehen zu werden, hofften sie doch, sich durch Lärm bemerkbar machen zu können. Wenn die Fischer aber nun beim Anblick der eigenthümlichen Seegeschöpfe, welche sie anriefen, die Flucht ergriffen? Das wäre freilich ein Strich durch die Rechnung gewesen.
Immerhin, jetzt galt es, sich zu beeilen. Da strengten sie die Arme an, die Ruder schlugen klatschend in die Wellen ein und die Entfernung verminderte sich sichtlich, als Soun, der immer voraus war, einen schrecklichen Schrei ausstieß.
»Ein Hai! Ein Hai!«
Diesmal täuschte Soun sich nicht.
In einem Abstande von etwa zwanzig Fuß tauchten die Flossen eines gefräßigen, diesem Meere eigenthümlichen Geschöpfes auf. Es war der sogenannte Tiger-Hai, der seinem Namen alle Ehre macht, da ihn die Natur mit der doppelten Wuth des Wals und des Tigers ausstattete.
»Die Messer zur Hand!« riefen Craig und Fry.
Andere als diese, vielleicht unzureichenden Waffen besaßen die vier Gefährten eben nicht.
Soun hielt selbstverständlich eiligst an und kam schleunig zurück.
Der Hai hatte die Skaphander gesehen und schwamm auf sie zu. Einen
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