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Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
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brachte er unbeirrt ein Stück nach dem anderen auf die Bühne, zweifellos in der irrigen Hoffnung, sie würden ihm zu dem Wohlstand und Ruhm verhelfen, nach dem es ihn sein ganzes Leben verlangt hatte. Ich bedauerte die Leichtgläubigen, die seine Werke inszenierten, und fragte mich, wie lange es dauern mochte, bis sie seiner Misserfolge überdrüssig würden.
    Als die Premiere eines Stücks namens Die Kerker von Algier angekündigt wurde, war die Versuchung zu groß. Ich war neugierig zu erfahren, wie Miguel den faszinierenden Stoff behandelte und was das Stück über seine Gefangenschaft in dem berüchtigten Kerker von Algier aussagen würde.
    An einem jener Herbstnachmittage, wenn der Wind, der von der Sierra herabwehte, den Kloakengestank Madrids in die Richtung des Manzanares trieb, lenkte ich meine Schritte zum Corral del Principe. Die kühle Luft war belebend und doch mild genug, dass man für die Dauer einer Vorführung gut im Freien stehen konnte. Ich bezahlte Eintritt für einen Stehplatz auf dem Lehmboden hinten im Corral, wo ich von einer Schar ungesitteter Studenten, Taschendiebe und anderer, die sich keinen Sitzplatz in der Nähe der Bühne leisten konnten, umgeben war. Ich wollte nicht erkannt werden und auch Miguel nicht die Genugtuung geben zu erfahren, dass man mich im Publikum gesehen hatte, deswegen verbarg ich mich unter einem alten Umhang, schlang mir einen Schal um Nase und Mund und vermied jeden Blickkontakt mit anderen Theaterbesuchern. Überall um mich her leerten Studenten und ihre Kumpane Weinschläuche und machten hohlköpfige Kommentare über die Schauspieler und den Verfasser des Stücks. Wenn ich nicht zur Bühne blickte, ließ ich das Kinn auf die Brust sinken. Unter dem Gesindel war offenbar ein Wettbewerb in Gang, wer am lautesten und geruchsintensivsten furzen konnte. Jeder knallende Darmwind wurde mit Johlen quittiert.
    Von der ersten Szene an war mir klar, dass Miguel die dramatischen Werke Sophokles’, Euripides’ und Aischylos’ nicht gelesen hatte. Bisweilen sprachen die Schauspieler allerdings einige schöne Zeilen, und ich muss zugeben, er hatte seinen Figuren Leben eingehaucht: Sie beruhten eindeutig auf Erfahrung, ihre Gefühle waren offenkundig Empfindungen von Menschen, die ich kannte. Aber es verlangt mehr als einen Edelstein, um eine Königskrone zu schaffen. Seine Gestalten hielten weitschweifige Reden, die auf der Bühne völlig fehl am Platze waren. Ich bezweifelte, dass er je den Wert von Stille begreifen würde, die im Theater wirkungsvoller zu sein vermag als ausufernde Monologe. Miguel war kein Lope de Vega. Ich fragte mich, wie lange es wohl dauern würde, bis er seine Mittelmäßigkeit selbst erkannte und sich eingestand, dass er mit dem großen Meister nicht mithalten konnte. Nachdem ich meine Neugier gestillt hatte, würde ich mich kein zweites Mal versucht fühlen, der Aufführung eines seiner erbärmlichen Stücke beizuwohnen.
    An schönen Abenden entließ ich die Träger meines Sessels und ging zu Fuß nach Hause. Wie sehr sich das Madrid meiner Jugend verändert hatte: Jetzt boten überall Mauren, schwarze Sklaven, Italiener, Flamen und Franzosen ihre Waren feil. Wohlhabende Kaufleute, gekleidet in vornehme Seide und teures Wolltuch, stolzierten umher, sodass man sie nur mit Mühe von echten Hidalgos unterscheiden konnte. Ich entsann mich der Zeit, die noch nicht so lange zurücklag, als nur Angehörige des Adels ein Schwert tragen durften.
    Der gefährlichste Abschnitt meines Weges war durch die Puerta del Sol, wo sich eine ständig wachsende Horde von Bettlern – der legalen und illegalen Art – herumtrieb. Auf die geringste Aufforderung hin belästigten sie Passanten, sagten Couplets und Gebete auf, wofür sie einen oder zwei maravedís verlangten, oder verkauften Almanache, Garne und Fächer. Krüppel und Verrückte weckten das Mitleid der Madrileños mehr als verstümmelte Soldaten, weshalb sich eine große Zahl Männer und Frauen als verrückt ausgab. Taschendiebe, Räuber und dingbare Mörder mischten sich unter das Treiben.
    An diesem Abend nun fielen mir an den Mauern der Kirchen, an denen ich vorbeikam, Traueranzeigen auf, die in der Kathedrale eine große Messe für die Seele von Professor López de Hoyos ankündigten. Trotz der vielen Jahre, die seit der Zeit am Estudio de la Villa vergangen waren, konnte ich meinem alten Professor nicht verzeihen, dass er mich zugunsten von Miguel fallen gelassen hatte. Hatte der Liebling des

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