Die Leidenschaft des Cervantes
Buch so rasch zurückgebracht hat, Pascual. Es freut mich zu sehen, dass Er auf Bücher gut Acht gibt. Wenn in meiner Bibliothek ein Werk steht, das Er lesen möchte, wäre es mir eine Freude, es Ihm zu leihen, um einen Beitrag zu Seiner Bildung und der Förderung Seines Geistes zu leisten.«
Monate vergingen, ohne dass ich etwas Neues über Miguel erfuhr. Es schmeichelte mir, dass Pascual, so töricht er auch war, mich als Mentor seiner humanistischen Bildung betrachtete. Er seinerseits unterhielt mich mit Geschichten aus der heimtückischen Welt der Poeten. Wir machten es uns zur Gewohnheit, nach der Arbeit spazieren zu gehen und uns dabei über Bücher und Dichtung zu unterhalten. Auf einem dieser Spaziergänge erwähnte Pascual, dass Miguel versuche, seine Dramen in Madrid auf die Bühne zu bringen. »Er treibt sich fast nur noch mit Theaterleuten herum.«
»Ich habe nicht gewusst, dass er sich für die Welt der Bühne interessiert«, sagte ich. »Früher einmal, und das ist noch gar nicht so lange her, galten Schauspieler als ebenso minderwertig wie freie Afrikaner. Anständige Menschen besuchten vielleicht das Theater, hatten aber keinerlei Umgang mit diesen Leuten. Ich weiß noch, meine Eltern pflegten zu sagen, dass Bettler ehrlicher seien als Schauspieler.«
»Schlimmer noch, Euer Gnaden, er trinkt mit Schauspielern, die nur ein paar reales für ihren Auftritt bekommen.«
»Vermutlich ist Er zu jung, um sich an die Tage zu erinnern, als Madrileños von guter Herkunft Schauspieler ebenso gering achteten wie Wasserträger.« Wieder bereute ich, meine Abscheu gegen Miguel derart unverhohlen zum Ausdruck gebracht zu haben. »Wir müssen abwarten, welche Art Dramen er schreibt«, sagte ich in der Hoffnung, den Eindruck, den meine sorglos gesprochenen Worte erweckt hatten, zu zerstreuen. »Die großen griechischen Dramatiker sind Künstler ohnegleichen, doch die meisten Stücke, die auf Spanisch geschrieben werden, sind ausgesprochen minderwertig. Ich würde alles dafür geben, in Spanien die Geburt eines Dramatikers zu erleben, der eines Sophokles und Aischylos ebenbürtig ist. Unsere ganze Hoffnung muss auf unserem großen Lope de Vega ruhen. Hat Er die klassischen griechischen Tragödien gelesen?«
»Ich habe einige Stücke unseres Lope de Vega gesehen. Er ist genau das, was Don Luis sagen. Aber ich kann nicht Griechisch lesen, Euer Ehren. Und ihre Stücke werden im Corral del Principe nicht aufgeführt.«
»Natürlich, warum dachte ich nur, sie wären dort zu sehen? Ich habe in meiner Bibliothek einige Übersetzungen, die dem Originaltext fast gerecht werden. Wenn Er möchte, kann ich sie Ihm leihen.«
Wir erreichten die Tür meines Hauses, gaben uns die Hand und wünschten uns eine gute Nacht. Ich schob es immer wieder hinaus, Pascual hereinzubitten. Ich wollte ihn nicht ermutigen zu glauben, wir wären mehr als bloße Bekannte. Ich litt immer noch unter dem hohen Preis, den ich dafür bezahlt hatte, Miguel de Cervantes, einen Plebejer, in mein Haus gebeten zu haben. Außerdem war es mir unangenehm, dass Pascual, wiewohl sehr umständlich, sich immer wieder nach dem Leben bei Hof erkundigte. War das die Münze, mit der er für die Neuigkeiten bezahlt werden wollte, die er mir über Miguel zutrug? Ich nahm mir vor, sehr vorsichtig zu sein, was ich über das Königshaus und die großen Familien Kastiliens sagte, denn das könnte er allzu leicht als Klatsch in seinen Kreisen verbreiten. Es musste ihm genügen, dass ich ihm Bücher lieh und die Lücken in seiner mangelhaften Bildung füllte. Wenn er damit prahlte, mich zu kennen, störte mich das weniger.
Eine Weile war es, als würde auf den Flugblättern, die an die Mauern öffentlicher Gebäude geheftet wurden, jede Woche ein neues Stück von Miguel de Cervantes angekündigt. Pascual musste einen Gutteil seines kargen Lohns für das Theater ausgegeben haben. Ich konnte mich darauf verlassen, seine Kritik eines jeden neuen Stücks zu hören. Finanziell waren sie allesamt Misserfolge. Jedes einzelne, so hörte ich, erregte öffentliches Missfallen. Ich hatte gewusst, dass Miguel als Dramatiker scheitern würde: Das geringe Talent, das er möglicherweise besaß, war nie ausgebildet worden. Ein guter Dramatiker zu sein war unmöglich, wenn man nicht die Griechen der Antike und, in geringerem Maße, die Römer studiert hatte. Ich bezweifelte, dass Miguel auch nur eine Ahnung von den erhabenen Gefühlen hatte, die große Figuren besitzen müssen. Trotzdem
Weitere Kostenlose Bücher