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Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
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Straßen ziehen und die hiesigen Menschen kennenlernen würde, damit ich von Don Quijote und Sancho schreiben konnte.
    Die Erde schien Sancho wieder verschluckt zu haben. Ich wünschte mir, dass er, wo immer er sich aufhielt, erfahren würde, dass sich seine Abenteuer in meinem eigenen Don Quijote Teil II fortsetzten, in dem die in diesem Kapitel geschilderte Begegnung erscheint – wenn auch im Gewand der Fiktion.

KAPITEL 8
    DER FALSCHE DON QUIJOTE
    Pascual Paredes
1587–1616
    Ich gebe meiner jugendlichen Liebe zur Dichtung die Schuld an dem, wozu mein Leben geriet, der Dichtung, die Don Quijote, wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, zu Recht ein unheilbares Laster nennt. Es war eine unschuldige Bemerkung, die ich Don Luis Lara gegenüber machte, kurz nachdem ich im Königlichen Indienrat zu arbeiten begonnen hatte, nämlich über die Ausgabe von Die Werke des Garcilaso de la Vega, mit Anmerkungen versehen von Fernando de Herrera , die auf seinem Schreibtisch lag, weshalb er mich überhaupt bemerkte. Hätte ich in dem Moment den Mund gehalten (das eine Körperteil, das ich nie beherrschen konnte), wer weiß, was dann aus mir geworden wäre? Dieses erste Gespräch war der Anfang. Daraus entwickelte sich eine lange Jahre währende Verbindung, die mich in dem feindseligen Netz verstrickte, das Don Luis um Miguel de Cervantes Saavedra wob und mich zum Beteiligten eines Rachefeldzugs machte, der einen dunklen Schatten über einen Großteil meines Erwachsenendaseins warf.
    Indem Don Luis mich als eine Art Spion verpflichtete, zeichnete er mich vor all den anderen simplen, fantasielosen Gemütern aus, die in unserer Abteilung des Indienrats tätig waren. Nachdem Miguel de Cervantes 1587 Esquivias verlassen hatte und nach Sevilla gezogen war, bestand meine Hauptaufgabe darin, mich über jede seiner Bewegungen kundig zu machen und diese Informationen Don Luis zu hinterbringen.
    Auf diese Art entkam ich dem öden Einerlei meiner verhassten Tätigkeit, bei lebendigem Leib in den muffigen, düsteren, kaum belüfteten Räumen begraben zu sein, in denen es widerlich nach Tinte und staubigen Dokumenten roch und wo die anderen Beamten jeden Tag stundenlang über ihrem Schreibtisch gebeugt saßen, sich im Flüsterton unterhielten, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, endlose Seiten mit ihren kratzigen Kielen füllten, Ziffern auf wachsiges Pergament schrieben und sie von einer Spalte in die nächste übertrugen, Berichte verfassten, die von keiner Menschenseele je gelesen wurden und nur für Archive bestimmt waren, die außer von Kakerlaken und Ratten nie betreten wurden. Diese armseligen Kreaturen hielten in der Arbeit nur inne, um zu husten, sich zu kratzen, sich zu schnäuzen oder sich erleichtern zu gehen, und kämpften nachmittags, wenn sie vom Essen und ihrer Siesta zurückkamen, dagegen an, wieder einzuschlafen. Ich verachtete ihr belangloses Leben, die Langeweile und Nüchternheit, mit der sie ihre Tage verbrachten, denn ich wusste, hätte nicht der Zufall eingegriffen, wäre das auch mein Schicksal in Spanien gewesen.
    Auf einer meiner monatlichen Reisen nach Esquivias – vorgeblich, um die Rechnungsbücher der dortigen Verwaltung zu überprüfen – erfuhr ich, dass Cervantes seine Frau zurückgelassen und nach Sevilla gereist war in der Hoffnung, dort eine Stelle als Eintreiber von Getreide für die Soldaten der Armada zu bekommen, welche die unglückseligen Feindseligkeiten gegen England begonnen hatte, die den Niedergang unseres Königreichs noch beschleunigten. Das war für mich die Gelegenheit, Sevilla zu besuchen, eine Stadt, die ich immer schon hatte sehen wollen, mit ihrer reichen Geschichte und ihrer viel besungenen Schönheit, dem Alcázar, den Dichtern und Malern. Als ich dort eintraf, hörte ich, dass es Miguel de Cervantes tatsächlich gelungen war, eine dieser Stellen zu bekommen. Nun war er ein Angestellter der Krone, wie auch Don Luis und ich.
    »Sein Titel ist der eines Requisitionsagenten für die Armada«, teilte ich Don Luis bei meiner Rückkehr nach Madrid mit.
    Er schenkte mir eines seiner seltenen glücklichen Lächeln. Ich hatte gelernt, dass seine größte Freude darin bestand, von Cervantes’ Unglück zu erfahren, obwohl eine Stelle als Requisitionsagent der Krone mir kaum als Unglück erscheinen mochte.
    »Er hat herausragende Arbeit geleistet, Pascual«, sagte Don Luis.
    Ich konnte die Gelegenheiten, die er mich gelobt hatte für etwas, das ich für ihn erledigte, an den Fingern einer

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