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Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
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speisen, und zwar im besten Gasthaus von Madrid, dem Mesón de los Reyes, wo sich viele Persönlichkeiten, die in geschäftlichen Dingen am Hof weilten, ein Zimmer nahmen. Obwohl wir uns im Lauf der Jahre häufig an öffentlichen Orten ergangen hatten und ich ihn vielfach nach Hause begleitet hatte, hatte er mich nie auf ein Glas zu sich in seine Räume gebeten noch vorgeschlagen, wir könnten in einer Schänke etwas trinken, wo man uns als Ebenbürtige hätte verkehren sehen können.
    Während wir warteten, dass der erste Gang aufgetragen wurde, sagte Don Luis: »Pascual, ich möchte Ihm meine Anerkennung für die Arbeit zeigen, die Er für mich verrichtet. Ab dem nächsten Monat wird Sein Gehalt um hundert maravedís erhöht.«
    »Danke, Euer Gnaden, danke«, sagte ich fassungslos. »Ich küsse Eure gnädigen Hände viele tausend Male.« Schon jetzt war mein Gehalt höher als das meiner erbärmlichen Mitbeamten.
    »Ich möchte Ihm versichern, Pascual, dass diese Entlohnung nicht aus den Mitteln des Königlichen Rates stammt. Das wäre Veruntreuung.«
    Rasch sagte ich: »Don Luis, das hätte ich niemals gedacht. Ich …«
    »Lass Er mich aussprechen. Ich habe noch mehr zu sagen. Ich bin mir darüber im Klaren, dass mein Verhalten über jeden Tadel erhaben ist. Dennoch, Er soll wissen, dass die zusätzlichen maravedís aus meiner persönlichen Schatulle kommen. Ich werde weiterhin mit allem Einsatz gegen Bestechlichkeit unter unseren Beamten vorgehen.«
    Als die Suppe serviert wurde, drängte sich mir die Frage auf, ob er sich wohl nie überlegt hatte, dass er Machtmissbrauch betrieb, wenn er mir mehr bezahlte als meinen Kollegen und mir die Aufgabe übertrug, Cervantes auf Schritt und Tritt zu folgen. Doch ich hatte bereits gelernt, dass Don Luis Lara die Art Mann war, die bei sich selbst nie einen Fehler sah. Wie alle spanischen Adeligen glaubte er, seine Exkremente röchen besser als die der ihm Untergeordneten.
    Den Rest des Abends unterhielten wir uns über die neuen Gedichtbände, die in den Buchläden eingetroffen waren. Dank Don Luis konnte ich mittlerweile jedes neue Buch erwerben, das mich interessierte, und auch Kopien der Klassiker, die ich noch nicht gelesen hatte. Ich informierte mich nach wie vor über das Werk neuer und etablierter Dichter – doch mehr ihm zu Gefallen, und um nicht den Kontakt zur Welt der Schriftsteller zu verlieren, als dass Gedichte mir noch dieselbe Freude bereiteten wie zu der Zeit, bevor ich für Don Luis zu arbeiten begann und erfuhr, wie ruchlos diese empfindsamen Seelen sein konnten, die hehre Gedichte und Romane schrieben.
    Cervantes’ Gesuch wurde abschlägig beschieden, und wenig später zog er erneut über die Straßen und requirierte Getreide. Ich erfuhr nicht, welche Rolle Don Luis bei dieser Entwicklung gespielt hatte, und um ehrlich zu sein, ich wollte es auch nicht wissen. So fiel es mir leichter, weiterhin als Spion für ihn zu arbeiten. Doch nachdem Cervantes diese für ihn zweifellos niederschmetternde Ablehnung erfahren hatte, verlor Don Luis offenbar das Interesse an ihm. Ich erstattete ihm zwar weiterhin regelmäßig kurz Bericht, doch er hörte mit gelangweilter Miene zu und gab mir das Gefühl, als sei Cervantes mehr mein Belang als seiner.
    »Eine traurige Gestalt ist der Krüppel von Lepanto geworden«, sagte er einmal zu mir. »Man stelle sich nur vor, dass er einst als die große Hoffnung der spanischen Literatur galt. Man stelle sich vor, dass wir gut befreundet waren! Die kümmerliche Existenz, die er führt, wird ihn bald das Leben kosten, wart Er nur ab.«
    Da ich nun weniger Grund hatte, nach Andalusien zu reisen und alles über Cervantes’ Wanderschaften in Erfahrung zu bringen, wurde ich zu Don Luis’ Faktotum im Indienrat. Dennoch befahl er mir nicht, das Ausspähen des Mannes zu beenden, den ich mittlerweile insgeheim den Sorgeneintreiber nannte.
    Dann wurde Don Luis, ohne dass er sein Amt im Indienrat verloren hätte, zum Anklagevertreter der Heiligen Inquisition ernannt, und er widmete sich seiner Arbeit für die Kirche mit einem Eifer, der mir selbst für einen Mann seiner Frömmigkeit fanatisch erschien. Aufgrund dieser Pflichten musste er den Großteil seiner Zeit in Toledo verbringen. Es muss ihn verdrossen haben, so häufig in der Stadt zu sein, wo seine Frau im Familienhaus der Laras lebte, das sie zu einem Hospiz umgebaut hatte. Durch einen Bekannten – denn Don Luis sprach mir gegenüber nie davon – erfuhr ich, dass der junge

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