Die Leidenschaft des Cervantes
Zukunft werden alle langen, langatmigen Romane – einschließlich Miguels Don Quijote – auf das absolut Wesentliche reduziert werden, sodass die ganze Geschichte auf einer bloßen Handvoll Seiten erzählt werden kann.
Bei meinem nächsten Besuch waren in Miguels Zuhause viele der Gegenstände zu sehen, die Andrea als Teil ihrer »Mitgift« genannt hatte. Der schäbige Raum war zu einem eleganten, farbenfrohen Salon geworden. Miguels Vater musste eine Glückssträhne am Spieltisch gehabt haben, denn er hatte die beim Pfandleiher versetzten Möbel wieder ausgelöst.
Nachdem ich einen Einblick in Miguels Familienleben bekommen hatte, kannte ich die Bedeutung von häuslichem Unfrieden. Doña Leonor hielt mit ihrer Verachtung für ihren untauglichen, verschwendungssüchtigen Mann nicht hinter dem Berg. Er las mit Leidenschaft und war stolz auf seine Lateinkenntnisse. Don Rodrigo (wie die Leute ihn nannten, obwohl er kein Anrecht auf diesen Ehrentitel hatte) verdiente mehr Geld mit den Sonetten, die er im Auftrag junger Männer verfasste, welche damit ihre Herzensdame umwarben, denn als Bader. Diese jungen Galane und seine Nachbarn unterhielt er, indem er Gedichte rezitierte und die vihuela spielte. Seine Praxis und seine Barbierstube, so pflegte er zu sagen, dienten als kultureller Versammlungsort erhabener Geister. Es war durchaus ein Erlebnis, ihn die selbst komponierten Couplets singen zu hören, und zwar ohne großes Bitten vonseiten der Freunde und Kunden, die auf ein Glas und ein Gespräch vorbeischauten.
»Don Luis, die Leute werden schneller gesund, wenn sie Musik und Gedichte hören«, erklärte er mir einmal. »Freude ist für alle Krankheiten das beste Heilmittel.« Um diese Philosophie in die Praxis umzusetzen, sang er seinen Patienten, die er zur Ader ließ, in Begleitung der vihuela Romanzen vor. Kein Wunder, dass die Leute ihm eher ihre Bärte als ihre Gesundheit anvertrauten. Die Verletzten, die sich von ihm ihre Hieb- und Stichwunden zusammenflicken ließen, sahen aus wie gefährliche Verbrecher, die kein Hospital aufsuchen konnten. Dass zwielichtige Charaktere Miguel zeit seines Lebens faszinierten, ging auf die Leute zurück, die Don Rodrigos Barbierladen aufsuchten. Mich ekelte vor ihnen, doch gleichzeitig fühlte ich mich von dem Gesindel angezogen, das ich immer nur aus der Ferne gesehen hatte und mit dem ich ohne die Freundschaft mit Miguel nie in Berührung gekommen wäre.
»Don Luis, das ist die Arbeit, die ich mache, um Leib und Seele zusammenzuhalten«, sagte Don Rodrigo einmal, als er mich etwas besser kannte. »Aber im Grunde meines Herzens bin ich ein Dichter. Ich weiß, dass Ihr das erkannt habt.«
Während der Schulferien und jeden Tag nach der Schule sollte Miguel seinem Vater eigentlich helfen, Patienten zur Ader zu lassen, Fliegen totzuschlagen, Nachttöpfe zu reinigen und die mit Blut bespritzten Böden zu wischen. Er schämte sich sehr, solche Arbeiten verrichten zu müssen, und hatte nicht das geringste Interesse, das Gewerbe seines Vaters zu erlernen. »Warum sollte ich alles über Egel und Haare erfahren?«, fragte er mich einmal verbittert. »Wenn ich Hofdichter bin, brauche ich die Menschen nicht zur Ader zu lassen, um die schlechten Säfte abzuleiten. Die Schönheit meiner Verse wird sie von ihren Krankheiten heilen.«
Die Liebe zur Poesie hatte Miguel von seinem Vater geerbt, aber er war entschlossen, etwas aus sich zu machen und nicht wie sein Erzeuger als Versager zu enden. »Du hast keine Ahnung, wie oft ich meinem Vater eine Suppe ins Gefängnis bringen musste«, gestand er mir eines Abends in einer Schenke, nachdem er zu viel Wein getrunken hatte. »Manchmal haben meine Mutter und meine kleinen Geschwister gehungert, nur damit sein dicker Wanst voll wurde.« Es tat mir leid, dass das Leben meines Freundes so schwer gewesen war.
Obwohl Doña Leonor den Wert von Bildung schätzte und stolz darauf war, dass die Nonnen ihr Lesen und Schreiben beigebracht hatten, gab sie nur unwillig Geld für das Papier aus, auf dem Miguel seine Aufsätze schrieb. Wenn sie Papier für seinen Unterricht kaufte, bedeutete das, dass es im Haushalt an anderen Dingen fehlen würde. Bei jeder Gelegenheit erinnerte sie jeden in Hörweite daran, dass die Familie nur von ihrem schwindenden Erbe lebte. Sie hatte in Arganda einen Weinberg geerbt, der einen kleinen Gewinn abwarf, und davon konnte sie ihre Kinder ernähren und kleiden.
Als ich Jahre später begann, meinen Don Quijote zu
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