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Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
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Zu seinem Nachfolger wurde Professor López de Hoyos bestellt. Es überraschte mich nicht, als Miguel der erste Preis zuerkannt wurde, schließlich wird jeder literarische Wettbewerb abgehalten, erstens, um die Freunde der Preisrichter zu belohnen und zweitens, um ihre Feinde zu bestrafen. Nur, damit Ihr einen Eindruck von der Qualität von Miguels preisgekröntem Gedicht bekommt, zitiere ich Euch die erste Quintilla:
    Wenn Hispaniens weitem Feld
    auch erspart blieb Krieg und Grauen,
    nahm der Himmel ihm der Frauen
    holdeste und dieser Welt
    schönste Blüte, die zu schauen.
    Es war eine bloße Imitation Garcilasos, die lachhafte Ausdünstung eines ehrgeizigen jungen Poeten, der sich nach Anerkennung verzehrte.
    Durch diesen kleinen literarischen Erfolg kam Miguels wahre Persönlichkeit zum Vorschein: Er tat, als hielte er sich für den großartigsten Barden des Königreichs, und brüstete sich vor jedermann, der ihn hören wollte: »Ich bin der wahre Nachfolger Garcilaso de la Vegas.« Am Tag nach der Siegerehrung begannen viele von Miguels Äußerungen mit dem Satz: »Wenn ich Hofdichter werde …«. Diese Prahlerei war lächerlich, aber da ich kein grausamer Mensch bin, machte ich ihn nicht darauf aufmerksam, dass Juden de facto eine solche Stellung verwehrt war. Zu jener Zeit ließ ich mich von Miguels Charme blenden und verzieh ihm alles; das, was uns verband, war stärker als das, was letztlich eine Kluft zwischen uns entstehen ließ.
    Nachdem ich am Estudio de la Villa die vorbereitenden Studien abgeschlossen hatte, verspürte ich nicht den Wunsch, noch in Madrid zu bleiben und mich um Krumen literarischen Ruhms zu schlagen. Ich war bereit, an der Universidad Cisneriana in Alcalá de Henares das Studium der klassischen Literatur zu beginnen. Damit entschied ich mich gegen die berühmtere Universität in Salamanca, doch Alcalá war die vornehmste Einrichtung zum Studieren in Spanien. Zudem wollte ich in der Nähe von Toledo und Madrid bleiben. Auch wenn mir Miguels mangelnde Bescheidenheit zunehmend missfiel, tat es mir leid, dass er in Madrid zurückblieb. Arme Familien konnten ihren Söhnen nur unter großen Opfern ein Universitätsstudium ermöglichen, die Eltern wohlhabender Studenten hingegen mieteten Häuser für sie, die mit Dienern und Pferden ausgestattet waren. Weniger privilegierte Studenten finanzierten ihre Ausbildung, indem sie für diese Stammhalter Kastiliens Dienste verrichteten. Als ich Miguel gegenüber diese Möglichkeit andeutete, fuhr er auf: »Lieber bleibe ich dumm, als einer der Bettelstudenten zu sein, die sich keinen Brotkanten leisten können und im Winter nur dank abgelegter Kleider nicht frieren.«
    »Darf ich dich erinnern, dass du in meinem Haus leben würdest, Miguel, wo man dich als meinen Bruder behandeln würde und nicht wie einen Dienstboten?«
    »Das weiß ich, und ich bin dir für dein großzügiges Angebot auch dankbar. Aber die anderen Studenten wüssten, wie es sich verhält, sie würden mich nicht als ebenbürtig betrachten.«
    Ich drängte ihn nicht, denn ich hoffte, früher oder später würde er von selbst die Vorteile meines Vorschlags erkennen. Ohne weitere Bildung waren seine Aussichten begrenzt, trotz seines flüchtigen Erfolgs als Dichter. Vermutlich, so dachte ich, lehnte er mein Angebot ab, weil seine Eltern von ihm verlangten, Geld zu verdienen und seinen Teil zu den Unkosten des Cervantes-Haushalts beizusteuern. Allerdings überredete ich ihn, mich nach Alcalá zu begleiten, wo ich die Universität besichtigen und mich nach einer geeigneten Unterkunft umsehen wollte.
    »Möchtest du nicht deine Geburtsstadt wiedersehen?« Miguel war noch ein kleiner Junge gewesen, als die Familie aus Alcalá de Henares weggezogen war, aber er sprach immer mit Zuneigung und Nostalgie von der Stadt. »Auf dem Rückweg könnten wir nach Toledo reiten und Garcilasos Grab besuchen.« Ich wusste, dass Miguel nur zu gerne die Stadt sehen wollte, in der Garcilaso de la Vega geboren wurde, und an seinem Grab in der Kathedrale stehen. »Wir können bei meinen Großeltern wohnen, und dann triffst du auch meine Cousine Mercedes, die bei ihnen lebt. Ich möchte gerne, dass Mercedes und du euch kennenlernt.« Ich wollte die Frau, die ich anbetete, und den besten Freund, den ich je hatte, zusammenbringen. In meiner Unschuld und aus meiner Zuneigung zu Miguel heraus fügte ich hinzu: »Ich habe Mercedes von unserer Freundschaft erzählt, und in ihrer Antwort schrieb sie, dass sie sich

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