Die Leidenschaft des Cervantes
bringen zu lassen, damit sie zu ihm persönlich um Heilung von ihrer Unfruchtbarkeit beten könne. Ihr Wunsch, dem spanischen Thron einen Erben zu schenken, war so groß und ihre Verehrung von Gottes Heiligem so rein, dass sie nackt mit seinem Leichnam im Bett schlief, bis sie erneut schwanger war. Das spanische Volk jubelte über die Geburt zweier Prinzessinnen. Alle waren überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis sie einem männlichen Erben das Leben schenkte.
Doch dann zog sich Isabel eine entstellende Krankheit zu. Das Gerücht ging um, sie habe sich beim zügellosen König mit Syphilis angesteckt. Ihre Ärzte diagnostizierten Windpocken, und um hässliche Narben zu vermeiden, empfahlen sie ihr, sich für die Dauer der Krankheit in eine mit Eselinnenmilch gefüllte Wanne zu legen und das Gesicht mit einer Paste aus Taubenkot und Butter einzureiben. Als Isabels Haut nach überstandener Krankheit makellos rein war, glaubten die Menschen, dass die Königin wegen ihrer Leiden und ihrer wundersamen Genesungen eine von Gottes Heiligen auf Erden sei. Nach langer Rekonvaleszenz wurde Isabel erneut schwanger, erlitt aber eine Fehlgeburt, die sie das Leben kostete. Unser aller Schmerz war größer, als wären wir von den Mauren zurückerobert oder hätten unsere Armada verloren. Das ganze Land verfiel in Trauer. Dreißig Tage lang war in Madrid keine Musik zu hören, die Theater blieben geschlossen, Stierkämpfe waren verboten, Geburtstagsfeierlichkeiten wurden abgesagt, Hochzeiten um ein halbes Jahr verschoben. Die Frauen in meiner Familie trugen Schwarz und verbargen das Gesicht drei Monate lang hinter einem Schleier aus goldenem Tuch. Ich legte um meinen rechten Arm einen Trauerflor an. Meine Trauer war persönlicher als die der meisten Menschen: Ich hatte die Prinzessin bei einem Empfang am Hof kennengelernt. Meine Tante, die Gräfin von La Laguna, hatte mich ihr vorgestellt mit den Worten, ich sei eine der künftigen Zierden der spanischen Dichtkunst. Ihre Königliche Hoheit bat mich, ihr durch meine Tante einige meiner Gedichte zukommen zu lassen. Diese Aufforderung besiegelte sie mit einem Lächeln. Ich habe nie erfahren, was sie von meiner Lyrik hielt, aber ich war glücklich zu wissen, dass die Prinzessin möglicherweise meine Verse gelesen hatte.
König Felipe rief einen literarischen Wettbewerb aus und versprach, das beste Sonett, das zum Gedenken an die geliebte verstorbene Königin geschrieben werde, auszuzeichnen. Ein literarisches Turnier zu gewinnen war eine der wenigen Möglichkeiten, die einem ehrgeizigen jungen Mann offenstand, um Ruhm und Ansehen zu erlangen. Mit einer solchen Auszeichnung konnte der Sieger einen eitlen, wohlhabenden Adeligen als Mäzen gewinnen oder, in einigen Fällen, sogar auf eine Ernennung zum Hofdichter hoffen.
Ich schrieb zwar ein Sonett über Isabel, reichte es aber nicht zum Wettbewerb ein. Wie Horaz war ich der Überzeugung, dass ein Gedicht neun Jahre »geborgen auf dem Papier im festen Verschluss« bleiben solle, ehe man es zur Veröffentlichung in die Welt entließ. Außerdem verlangte ich nicht nach Ruhm, und auch finanziellen Gewinn brauchte ich nicht.
Ich hoffe, es klingt nicht arrogant, wenn ich sage, dass meine Elegie für die Königin mit mehr Präzision geschrieben, mit mehr Zartgefühl und Raffinement gereimt und von erhabeneren Gefühlen erfüllt war als die derben Verse, die Miguel für sein Sonett zu diesem Anlass schmiedete. Ich wusste, wie wichtig es für meinen Freund war, diesen Wettbewerb zu gewinnen, möglicherweise hing sogar seine Zukunft davon ab. Das Mindeste, was ich für ihn tun konnte, war, kein Hindernis bei seiner Jagd nach einem Zipfel literarischen Ruhms darzustellen.
Es war uns zur Gewohnheit geworden, uns gegenseitig unsere Gedichte zu zeigen. Ich las Miguels mittelmäßiges Sonett an Isabel. Als er mich nach meiner Meinung fragte, sagte ich: »Ich glaube, du wirst den Wettbewerb gewinnen.« Das freute ihn. Er war zu sehr von sich selbst überzeugt, als dass er um Verbesserungsvorschläge gebeten hätte. Trotzdem versuchte ich, seine glanzlose Wortwahl zu verfeinern und seinen Zeilen ein flüssiges und klassisches Reimschema einzuhauchen. Schließlich bat Miguel Professor López de Hoyos um Hilfe, dessen Zuneigung er mit beständiger Schmeichelei gewonnen hatte.
Dann stürzte der einzige Preisrichter des literarischen Turniers betrunken vom Pferd und zerschmetterte sich auf der Pflasterstraße vor seinem Haus den Schädel.
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