Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
Vom Netzwerk:
lange, schmale Holzplanke zum Kai hinab, wo wir uns versammelten. Algerische Korsaren standen, die langen, scharfen Lanzen gezückt, zwischen uns und den Frauen und Kindern.
    Plötzlich ließ ein metallisches Lärmen uns zusammenfahren; es klang, als würden Hunderte Eisenhämmer auf die Straße geschlagen. Der Vizekönig von Algier, Hassan Pascha, ein sardischer Renegat, der vom Sultan zum Herrscher über diese Brutstätte von Dieben und Mördern ernannt worden war, kam mit seinem Gefolge zum Hafen, um sich die erste Wahl unter den neu eingetroffenen Gefangenen zu sichern.
    Eine Schwadron prächtig gekleideter Krieger passierte das Stadttor. Das waren die berüchtigten albanischen Janitscharen, die ich auf Gemälden und in Illustrationen gesehen hatte. Die bloße Erwähnung des Namens Janitscharen ließ jeden Europäer vor Furcht erschaudern. Es war bekannt, dass sie nach der Anzahl der christlichen Skalpe entlohnt wurden, die sie ihrem Befehlshaber am Ende der Schlacht überbrachten. Töteten sie Dutzende Gegner, galten auch Ohren oder Zungen als Beweis. War das Gemetzel noch größer gewesen, genügten Zeigefinger.
    Als sich die Janitscharen näherten, hatte ich das Gefühl, als zöge sich eine Schlinge um meinen Hals zusammen. Selbst unsere Häscher betrachteten die Männer voll Ehrfurcht. Ihre blauen Augen erinnerten an glatte, trübe Glasscherben, die lange Zeit im Meer gewesen und dann an den Strand gespült worden waren. In ihren Augen spiegelte sich kein Licht, es war, als gehörten sie seelenlosen Wesen. Ein eiskalter Schauer lief mir den Rücken hinab.
    Die Janitscharen trugen Arkebusen und lange Dolche. Auf einer Seite ihres weißen Turbans ragte ein kleines, in glänzend grünen Stoff gewickeltes Horn heraus, an dessen Spitze weiße und schwarze Straußenfedern befestigt waren, und die wippten, wenn die Männer marschierten. Ihre roten Lederschuhe endeten in einer aufgebogenen Spitze.
    Hinter ihnen folgte Hassan Paschas Infanterie. Diese Soldaten trugen langärmelige blaue Gewänder, die bis zu den Knöcheln hinabfielen, und darüber rote, an der Brust geöffnete Westen. Die Kraft, die diese Männer ausstrahlten, war die eines mächtigen Raubtiers. Ihr überheblicher Marschschritt, bei dem die Absätze ein grauenerregendes metallisches Klappern erzeugten, war hypnotisierend. Die ganzen Jahre meiner Gefangenschaft in Algier über fürchtete ich dieses Geräusch mehr als jedes andere. Wenn ein Gefangener es hörte, tat er gut daran, Reißaus zu nehmen, sich zu verstecken, über die nächstbeste Mauer zu springen, sich unsichtbar zu machen, zu wünschen, er könnte sich in ein Rauchwölkchen auflösen.
    Eine Prozession goldhaariger Jungen, gekleidet in prächtige türkische Trachten, marschierte hinter den Soldaten und spielte auf Trommeln, Trompeten, Flöten und Zimbeln eine Musik, die wie eine Weise des Todes klang. Es war, als wollten sie die Menschen das Fürchten lehren. Ihre Mienen waren ausdruckslos.
    Diesen Knaben folgte die Kavallerie auf edlen weißen und schwarzen Arabern mit buschigem, glänzend gestriegeltem Schweif und Zaumzeug aus bunten Federn, die wie ein Pfauenrad aufgefächert waren. Zum Schluss kamen die Berberkrieger auf Kamelen. Die Männer trugen dunkelblaue Gewänder und Tücher um den Kopf, die ihr Gesicht bis auf die nachtdunklen, von dichten schwarzen Wimpern umrahmten Augen verdeckten. Das waren die Nachfahren der Berberstämme, die vor vielen Jahrhunderten Andalusien erobert hatten.
    Weder die päpstlichen Prozessionen, die ich im Vatikan gesehen hatte, noch die Umzüge des Königs von Spanien durch die Straßen Madrids, die an besonderen Anlässen stattfanden, entfalteten eine derartige Farbenpracht, einen solchen Luxus, demonstrierten eine solche Macht.
    Dann hatte Hassan Pascha seinen Auftritt, der Beylerbey des Sultans, Vizekönig der Provinz Algier. Er saß auf roten Kissen auf einem Podest, getragen von groß gewachsenen, barfüßigen nubischen Sklaven, deren Lendentuch kaum ihre Scham bedeckte. Ihre glatte Haut glänzte derart, dass ihre Schönheit keinen Zierrat benötigte. Hassan Paschas riesiger Turban in Scharlachrot und Tiefblau hatte die Form eines Vollmonds, aus dessen Mitte eine konische blaue Kappe aufragte. Er war in eine kirschrote Robe gehüllt, die in der brennenden nordafrikanischen Sonne zu glühen schien, ein kleiner Pelzumhang – kupferbraun wie das Fell des Rotfuchses – lag um seine Schultern. Sein Vollbart hatte genau die Farbe dieses Pelzes. Er

Weitere Kostenlose Bücher