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Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
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selbst war massig, wie aus Granit gehauen, und seine stark gebogenen Augenbrauen und die lange Hakennase verliehen ihm das Aussehen eines Falken, der sich bereit machte, den Schädel seiner Beute aufzuschlagen.
    Gestützt von einem nubischen Pagen erhob er sich und trat von dem Podest. Er verströmte unglaubliche Macht, gepaart mit Ruchlosigkeit und Grausamkeit ohnegleichen. Die Korsaren fielen auf die Knie und beugten sich hinab, bis ihre Stirn und die Hände den Boden berührten. Arnaut Mamí hob als Erster den Kopf. Mit einem kaum wahrnehmbaren Nicken bedeutete ihm der Beylerbey näherzutreten. Mit kleinen Schritten, tief gebeugt, ging Mamí auf ihn zu, sank auf die Knie und küsste den Saum von Hassan Paschas Robe, ehe er rief: »Gelobt sei Mohammed!«
    Zunächst inspizierte der Beylerbey die Jungen, doch die ihm gezeigte Ware erregte offenbar nicht sein Interesse. Dem Kader nach zu urteilen, das sein Regiment begleitete, war er bereits gut mit europäischen Knaben versorgt. Rasch ging er zu den Frauen über und wählte die schönsten, vornehmsten Señoritas und ihre Damen aus.
    Als er sich den Männern zuwandte, deutete Mamí auf mich und sagte zu Hassan Pascha: »Der Krüppel gehört mir, Eure Hoheit.« Sobald der Pascha meine verkümmerte Hand sah, machte er eine wegwerfende Geste, als wollte er mich verschwinden lassen. Ich wurde zu einer Seite meiner Gruppe geschoben und musste so nah, wie die Ketten es mir erlaubten, durch die ich an die anderen Männer gefesselt war, bei den Frauen und Kindern stehen. In dem Moment empfand ich einen Schmerz, der höllischer brannte als der Schmerz der Wunden, die mir bei Lepanto zugefügt worden waren. Angst, Abscheu und rasender Zorn überwältigen mich, ich schwor, ich würde alles daran setzen, dieser wandelnden Inkarnation des Teufels eines Tages etwas anzutun.
    Bei der Auswahl der Männer ließ sich der allmächtige Beylerbey mehr Zeit. Zunächst suchte er die Stärksten für sich heraus. Zum Glück war Rodrigo, wie alle männlichen Cervantes, zart gebaut. Dann befragte der Pascha Arnaut Mamí nach den Vorzügen und Fertigkeiten der übrigen Gefangenen und sicherte sich die beiden Chirurgen, die an Bord der Sol gereist waren, sowie alle Zimmerleute, Schmiede und Köche. Der Kummer auf den Gesichtern dieser Männer zerriss einem das Herz – sie wussten, dass der gnadenlose Herrscher ihre Fähigkeiten derart schätzte, dass sie als Sklaven sterben würden.
    Nachdem der Pascha seine Wahl getroffen hatte, sagte er auf Spanisch zu den Männern, die jetzt in seinem Besitz waren: »Hört mir gut zu, Christen. Von diesem Moment an seid ihr Teil meines Heeres. Wenn ihr gut arbeitet und nicht zu fliehen versucht, belohne ich euch. Und wenn ihr zum Islam konvertiert«, und hier machte er eine Pause, damit die Bedeutung seiner Worte auch niemandem verloren ging, »dann schwöre ich im Namen Allahs, dass ich euch in die Freiheit entlasse.«
    Die Männer, die der Vizekönig abgelehnt hatte, mussten zur Seite treten. Sie würden versteigert und von wohlhabenden Leuten gekauft werden, die Bedienstete, Gärtner und Lehrer brauchten.
    Der Beylerbey kehrte auf seinen Podest und sein Kissen zurück; ein Schirm aus weißen Straußenfedern, den ein afrikanischer Koloss über ihn hielt, spendete ihm Schatten. Dann begann die Auktion der restlichen Gefangenen. Wie eine gesättigte Hyäne saß Hassan Pascha da, herrschte mit versteinerter Miene und schläfrigem Blick über die Szene.
    Die spanischen und italienischen Kinder, die ihre Eltern auf der Reise begleitet hatten, und die Schiffsjungen wurden als Erste versteigert. Eine Handvoll reich gekleideter Männer ging zu den Unschuldigen. Wir alle hatten von den türkischen Sodomiten gehört, der größte Schrecken aller Eltern im Christenreich. Diese Händler der Unschuld schauten prüfend in die Münder der Jungen und zählten ihre Zähne nach. Dann zogen sie ihnen die Hosen herunter. »Das muss sofort weg«, sagte ein Käufer und zerrte an der Vorhaut eines zitternden Knaben. Bei den Türken war es Brauch, die Jungen zu beschneiden, es war der erste Schritt zu ihrer Bekehrung zum Islam. Kein Christ kannte nicht die Geschichte des nordafrikanischen Herrschers, der Christenjungen an einen Pfahl binden und auspeitschen ließ, bis sie den muslimischen Glauben annahmen. Wer die Bekehrung verweigerte, wurde geprügelt, bis ihm alles Blut aus dem Leib gesickert war.
    Zwei Sodomiten gerieten wegen eines blonden Bruderpaares sofort in Streit. »Ich

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