Die Leidenschaft des Cervantes
ein Fleisch und ein Blut würden, ich sah meine Frau jetzt in einem sündhaften Licht dastehen. Ich war grausam hintergangen worden. War die Mercedes, die mir im Gewand eines Engels Gottes erschienen war, tatsächlich Satan in der Aufmachung einer Frau?
Wer Mercedes zum ersten Mal begegnete, war von ihrer unvergleichlichen diamantenen Vollkommenheit beeindruckt. Aber der Diamant hatte einen Sprung bekommen, eine kotige Ader war aufgeplatzt und hatte sein kristallklares Leuchten verunreinigt, sodass er allen Wert verlor. An dem Tag und an vielen folgenden Tagen wünschte ich mir, Mercedes zu erwürgen und zuzusehen, wie das Leben aus ihr wich und ihre Augen dunkel wurden.
Im Lauf der Jahre hatte sich mein Abscheu gegen Miguel eher ein wenig gelegt. Doch nach Mercedes’ Geständnis verlangte es mich danach, nicht nur ihr Gewalt anzutun, sondern vor allem ihm. Von dem Abend an fand der zählebige Keim des Hasses fruchtbaren Boden in meiner Seele und brachte Schösslinge hervor, die alles Lebendige in mir erstickten. Bereits der Boden, auf dem ich stand, kam mir unfruchtbar und verbrannt vor, als hätten dort die Flammen der Hölle gelodert. Meine Maßnahmen, Miguels Rückkehr nach Spanien zu verhindern, genügten nicht. Meine Fantasien von der Art seines Todes uferten immer mehr aus: Ich würde ihn vergiften lassen, ich würde gedungene Mörder nach Algier schicken, die ihn umbringen sollten, aber erst würde ich vor seinen Augen seinem Bruder den Kopf abhacken lassen, ehe er selbst enthauptet wurde.
Das, was die Bezeichnung »Leben« verdiente, hatte ich nicht mehr. In meinen Träumen wiederholte sich unablässig Miguels und Mercedes’ Verrat; ich konnte der Albträume von feuerspeienden, geflügelten Dämonen, die mir teuflische Tiraden ins Ohr kreischten, nicht Herr werden. Schweißgebadet und fiebrig wachte ich auf, rang nach Luft, es hämmerte in meinem Kopf, meine Hände waren krampfhaft zur Faust geballt, mein Kiefer war verspannt, meine Glieder schmerzten, als wäre die Decke meines Schlafgemachs über mir eingestürzt. Mit der Zeit graute mir davor, mich schlafen zu legen. Oft blieb ich die ganze Nacht wach und betete. Ich hatte das Gefühl, als Schlafwandler durchs Leben zu gehen.
Ich wusste, dass meine Gefühle unchristlich waren. Ich verabscheute den, zu dem ich geworden war, meine Selbstverachtung war unerträglich. Ich war überzeugt, dass Gott mich schrecklich bestrafen würde, wenn ich mich weiter dem Hass hingab. Ich hatte Angst vor meinem eigenen Schatten, mein eigenes Spiegelbild machte mich schaudern: In meinen Augen flackerten die Flammen der Hölle.
»Sprecht jeden Abend den Rosenkranz, sooft es nötig ist, bis die Stimmen in Eurem Kopf verstummen«, riet mir mein Beichtvater, Pater Timoteo. »Nur die heilige Muttergottes kann Euch zu Eurer früheren Menschlichkeit zurückführen. Betet zu ihr, mein Sohn, weiht Euer Leben ihr und Jesus Christus, denn sie beide allein können Euch aus den Klauen Satans befreien. Handelt nicht so, wie Euer Zorn es Euch eingibt«, fügte er hinzu, »dann steht Euch das Tor zu Gott weiter offen, Luis. Ihr müsst Euch reinigen, mein Sohn, Ihr müsst Eure sündigen Gedanken mit heiligem Wasser fortspülen. Nur durch völlige Hingabe an die göttliche Gnade Jesu könnt Ihr Erlösung finden.«
Eine gewisse Linderung von meinem brennenden Hass auf Miguel und Mercedes fand ich nur, wenn ich den Rosenkranz betete. Mein ganzes Leben hatte ich ihn in der Kirche und täglich auch bei mir zu Hause gehört. Ich war immer ein guter, wenn auch kein besonders frommer Katholik gewesen. Bisweilen hatte ich mich zu meiner Familie gesellt und ihn mitgebetet. Und ich sprach ihn respektvoll, pflichtbewusst, aber ohne den Eifer meiner Eltern und Großeltern oder der meisten Gläubigen, die ich in den Kirchen sah. Ich musste mit ganzem Herzen zur Jungfrau Maria beten. Ich würde beten, bis sie von meiner aufrichtigen Reue überzeugt wäre und mir, wenn ich an die Tiefe seiner unendlichen Liebe zu uns Sündern rührte, das Antlitz Jesu Christi offenbarte.
»Wenn Ihr reinen Herzens glaubt«, versprach Pater Timoteo, »werdet Ihr mit Gnaden überhäuft, die die Mutter Christi selbst in Eure Hände legt.«
Von den drei Rosenkranzmysterien brachte mir die Betrachtung der freudenreichen Mysterien den größten Trost. Das Mysterium Jesu war die Freude, die Er verbreitete, so erkannte ich, die Glückseligkeit, die Er uns schenkte und die jeden Tag die Welt von der Dunkelheit erlöste. Ich
Weitere Kostenlose Bücher