Die Leidenschaft des Cervantes
ist. Ich bete, der liebe Herrgott möge uns diese Täuschung vergeben, denn unsere Motive sind rein: um meine Brüder aus dem Land der Ungläubigen zu befreien, wo ihre Christenseelen in großer Gefahr sind.«
»Ich fürchte, ich verstehe Euch nicht«, sagte ich. »Wie kann ich in der Angelegenheit behilflich sein?«
»Seht Ihr, Don Luis, mein Vater würde zu unseren Verwandten in Andalusien fahren und so lange wie nötig bei ihnen in den Bergen verborgen leben. Wir würden sagen, er sei dort gestorben. Und wenn er dann später zurückkommt, sagen wir, dass wir falsch informiert wurden.«
Es war unverkennbar, dass sie diesen Betrug schon eine ganze Weile plante. Diese schamlose Verführerin bat mich, Beihilfe zu einem Gesetzesbruch zu leisten. »Ich fürchte, Ihr vergesst, dass ich ein Beamter des Königs bin«, sagte ich. »Ich könnte niemals wissentlich etwas tun, das meine Aufrichtigkeit oder die Ehre meiner Familie infrage stellt, nicht einmal für die ehrenwerte Sache, einem Freund zu helfen.«
»Ich verstehe, Don Luis. Aber Ihr seid unsere letzte Hoffnung.« Sie schlug die Hände vors Gesicht und begann zu weinen.
In Andreas Nähe zu sein war so gefährlich, wie mit einer Viper zu spielen. Wieder gewann meine ungesunde Neugier die Oberhand. Ich blieb wie angewurzelt sitzen.
Mit einigen kurzen, ruckartigen Atemzügen hörte sie auf zu weinen und tupfte sich die Wangen mit einem Schnupftuch ab, das sie aus einer Tasche in ihrem Gewand holte. »Don Luis«, begann sie dann wieder, »mein Ehemann, Don Diego Obando, musste in dringenden Angelegenheiten nach Neuspanien reisen, um den Rechtsanspruch auf einen Grundbesitz durchzusetzen, den ein Verwandter ihm hinterlassen hat. Er bleibt länger fort, als wir erwartet hatten. Wenn er hier wäre, bräuchte meine Familie meinen verzweifelten Plan nicht.«
(Am nächsten Tag fand ich heraus, dass der Mann, den sie als ihren Gemahl bezeichnete, ein verheirateter Mann war, der sie verlassen hatte und in die Neue Welt verschwunden war. Zur Wiedergutmachung ihrer verletzten Ehre hatte Don Diego ihr das schöne Haus mitsamt der Einrichtung geschenkt.)
»Wenn Ihr uns helfen könntet – ich wüsste nicht, wie ich Euch jemals Eure Herzensgüte vergelten könnte. Aber meiner ewigen Dankbarkeit seid gewiss, und ich werde Euch in meine Gebete einschließen. Ihr könnt immer auf mich als Eure ergebenste Dienerin zählen.« Jetzt sprach sie mit der rauchigen Stimme, an die ich mich von unserer ersten Begegnung erinnerte, als Miguel und ich am Estudio de la Villa studierten und sie mir die grauenerregende Geschichte ihres Kindes und des Kindsvaters erzählte. Jedes ihrer Worte war gehauchte Süße. Vom Garten wehte eine Brise herein und kühlte den Raum, doch in der Vertiefung zwischen ihren Brüsten standen winzige Schweißperlen.
Mir schwitzten die Hände, mein Kopf war leicht benommen, ich war verwirrt. Ich war schon lange nicht mehr bei einer Frau gewesen. Zu Mercedes konnte ich nicht gehen, um meine männlichen Bedürfnisse zu befriedigen, andererseits war ich nicht die Art Mann, der sich mit Prostituierten einließ. Machte Andrea mir gerade einen unschicklichen Vorschlag? War es der Teufel, der mich etwas sehen ließ, was in Wirklichkeit nicht existierte? Oder war dies nur ein weiterer Beweis dafür – als ob ich dessen bedürfte –, dass die Cervantes unmoralisch waren?
Ich hätte Andrea bei den Behörden anzeigen können wegen ihres Versuchs, einen Beamten des Hofes zu bestechen. Wenn ich ihr half, würde ich zu ihrem Komplizen werden. Dann kam mir ein heimtückischer Gedanke. Ich könnte Andrea helfen, das Darlehen zu erhalten, und dann den lebenden Don Rodrigo anzeigen. Welche Strafe er dafür bekommen würde, war mir gleichgültig, aber ich wusste, dass Andrea und ihre Mutter sehr schwer dafür würden büßen müssen. Schließlich hatte Miguel meine Ehe zerstört. Er hatte das für mich Reinste und Geheiligtste befleckt. Ich würde es ihm auf die gleiche Art vergelten und sicherstellen, dass er den Rest seiner Tage als Sklave an der Barbareskenküste verbrachte. Aeternum vale, Miguel, dachte ich. Ich werde dich nie wieder sehen. Du wirst keine Gelegenheit mehr haben, meiner Familie nahezukommen und mir zu schaden.
Als ich Andreas Haus verließ, fühlte ich mich unrein. Ich musste in die Kathedrale gehen, beten und meine schwere Sünde beichten. Doch während ich in der Kirchenbank unserer Familie kniete, das Gesicht in den Händen vergraben, wurde mir klar,
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