Die Leidenschaft des Cervantes
mich hatten aufbringen können. Sancho zog mich mit sich. »Kommt, Miguel«, sagte er, »man kann nie wissen. Es sind schon ganz andere Wunder passiert.«
Für Sancho war, wie erwartet, kein Lösegeld vorhanden. Er schüttelte den Kopf, verdrehte die Augen und schob mich in die Richtung unserer möglichen Erlöser.
Ich holte tief Luft, atmete aus und schrie, mehr Sancho zuliebe als weil ich glaubte, mein Name könne tatsächlich auf der Liste stehen: »Welche Nachricht habt Ihr für Miguel de Cervantes?«
»Seid Ihr das, mein Sohn?«, fragte einer der Mönche, während er mit dem Finger die Liste hinunterfuhr.
Mein Herzschlag war so laut, dass er alle anderen Geräusche übertönte.
»Wir haben gute Nachricht für Euch und Euren Bruder Rodrigo. Wir haben sechshundert Dukaten, um Eure Freiheit zu kaufen.«
Meine Beine gaben unter mir nach, aber Sanchos bärenstarke Umarmung verhinderte, dass ich zu Boden sackte. Mit tränenüberströmten Wangen küsste er mich. Er war so glücklich, das man meinen konnte, er sei derjenige, der freikam. Mein einziger Gedanke war: Woher hatte meine Familie so viel Geld bekommen? Welche Opfer hatten sie dafür gebracht?
»Wo ist Rodrigo?«, fragte der Mönch.
Ich fasste mich wieder und nannte ihm den Namen vom Herrn meines Bruders.
Am folgenden Tag gingen die Trinitarier in Begleitung meiner Mitgefangenen, die sich freikaufen konnten, und mir zu Arnaut Mamís Palast. Wir gehörten alle ihm. Als wir in dem großen Saal ankamen, in dem er seine Geschäfte abwickelte, stand Rodrigo bereits da, ebenso wie Mohamed Ramdane und seine zwei Kinder. Zum ersten Mal seit fast drei Jahren umarmten wir uns, doch bevor wir viel sagen konnten, wurden wir von Mamís Wachen getrennt.
Unser Fall wurde, da wir zu zweit waren, als erster verhandelt. »Was den Jüngeren betrifft«, sagte Mamí und deutete auf meinen Bruder, »müsst Ihr seine Freiheit direkt von Mohamed Ramdane kaufen.«
Ramdanes Tochter und Sohn standen neben meinem Bruder. Ich schätzte das Mädchen auf etwa fünfzehn, ihr Bruder musste ein paar Jahre jünger sein. Ich glaubte, meinen Ohren nicht recht zu trauen, als ich das Mädchen sagen hörte: »Papa, Meister Rodrigo war der beste Lehrer, den wir uns je hätten wünschen können. Aus Dankbarkeit für alles, was er uns gelehrt hat, möchten Sohrab und ich, dass er zu seiner Familie zurückkehrt, ohne ein Lösegeld bezahlen zu müssen.«
Ramdane wirkte nicht minder überrascht als ich. Gerade wollte er etwas erwidern, als seine Tochter vor ihm auf die Knie sank und ihm die Hand küsste. »Lieber Vater, denkt daran, wie schmerzlich es wäre, wenn wir, Eure Kinder, Euch weggenommen würden. Meister Rodrigo ist ein guter Mensch, Vater. Allah wird Euch und unserer Familie diese gute Tat mit großem Segen danken.«
»Hör auf zu flehen, meine Tochter. Bitte steh auf«, sagte Ramdane, half seiner Tochter auf und schloss sie in die Arme. »Du weißt, dein Vater kann dir keinen Wunsch abschlagen.« Dann wandte er sich an Mamí. »Euer Gnaden, Rodrigo Cervantes hat die Liebe meiner Kinder und meine Achtung erworben. Er kann gehen, wohin ihm beliebt. Ich verlange nichts für seine Freiheit, weil er meiner Familie Dinge geschenkt hat, die man mit keinem Geld der Welt kaufen kann. Möge er in Frieden gehen. Gesegnet sei der Prophet.«
(Viele Jahre später erzählte mein Bruder mir, dass Ramdanes Kinder insgeheim zum Christentum übergetreten waren und deswegen wollten, dass er nach Spanien zurückkehrte.)
»Wenn Ihr Euer Eigentum verschenken wollt, ist das Eure Sache«, sagte Mamí und verzog vor Abscheu das Gesicht. »In dem Fall«, fragte er an die Trinitarier gewandt, »seid Ihr bereit, das Lösegeld für ihn zu bezahlen?« Er richtete seinen mit Edelsteinen geschmückten Zeigefinger auf mich.
»Wir können für Miguel Cervantes die sechshundert Golddukaten bezahlen, die wir als Lösegeld für beide Brüder hatten«, sagte der Trinitarier, der die Verhandlungen führte.
Mamí brach in schrilles Gelächter aus, das ebenso abrupt wieder verstummte. »Ich weiß doch, wie bedeutend dieser Krüppel ist«, stieß er hervor. »Er ist ein Schützling von Eurem Don Juan de Austria und ein Held von Lepanto. Wie ich höre, ist er außerdem ein Dichter, der einflussreiche Freunde in Rom hat. Ich verlange achthundert Golddukaten für seine Freiheit. Und wenn Ihr den Preis nicht bezahlen wollt, schlage ich vor, dass wir zum nächsten übergehen.«
Rodrigo fiel auf die Knie und sagte zu Mamí:
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