Die leise Stimme des Todes (German Edition)
fleischigen Ohren ließ einfach nicht locker. Mark hätte ihm gern geholfen, schließlich war er es, der überfahren worden war und fast eine Woche im Krankenhaus verbracht hatte, aber er wusste nicht wie. An jenem Morgen war alles zu schnell gegangen. Möglicherweise konnte sich Senfeld Autokennzeichen merken oder Fahrzeugtypen bestimmen, während er von der Straße gefegt wurde, er konnte es nicht. Jedenfalls hatte er jetzt genug von dieser Befragung.
„Haben Sie Zeugen ausfindig machen können, die den Unfall beobachtet haben?“
Senfelds blasse Augen nahmen einen mürrischen Ausdruck an. „Nein, leider hat niemand den Unfall gesehen.“
„Schade.“
„Ja, das ist es. So dürfte es schwierig werden, den Unfallverursacher oder den Fahrzeughalter zu ermitteln.“
„Okay, war es das?“ Mark fühlte sich schwach. Die Fahrt zum Revier und die ausdauernde Befragung hatten ihn erschöpft. Er wollte jetzt nur noch eins. Nach Hause!
Senfeld nickte und wirkte dabei wie einer der Plastikdackel, die sich manche Leute ins Rückfenster ihres Autos stellten.
„Sie müssen hier noch unterschreiben. Wenn sich etwas Neues ergibt, melden wir uns.“
Mark kritzelte seinen Namen auf das Papier. Er verabschiedete sich von Senfeld und trottete müde aus dem Büro. Bis zur Bushaltestelle waren es vierhundert lange Meter.
Katherine stand dem Chirurgen, der Michelle operiert hatte, gegenüber und wusste, dass er es nicht geschafft hatte.
„Tut mir leid, Katherine. Ich habe mein Möglichstes getan, aber sie war nicht zu retten. Ihre inneren Verletzungen waren zu schwer. Ihr schwaches Herz hat während der Notoperation versagt. Wir haben versucht zu reanimieren, aber es war hoffnungslos.“
Schneiders Augen waren gerötet und die Falten auf seiner Stirn sahen aus, als habe sie jemand mit einer Rasierklinge in die Haut geschnitten.
Katherine legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter. Für jeden Chirurgen war es niederschmetternd, einen Patienten zu verlieren.
„Werner ...“
Schneider winkte ab. „Ich weiß, was du sagen willst.“
Er wandte sich um und ging mit müden Schritten zurück in den Operationssaal.
Katherine blieb noch einen Moment stehen, versuchte sich zu sammeln. In ihrem Inneren spürte sie eine Taubheit, die es ihr schwer machte, einen klaren Gedanken zu fassen.
Zwei Schwestern gingen vorbei und warfen ihr verstohlen neugierige Blicke zu, aber niemand sprach sie an. Schließlich schritt Katherine zum Aufzug hinüber. In ihrem Büro stapelte sich die Arbeit, vielleicht konnte die ermüdende Routine des Papierkrams sie ein wenig ablenken.
Als Katherine das Büro betrat, sprang Sabine Jenssen vom Stuhl auf und hielt ein Blatt Papier hoch. Ihr Gesicht strahlte vor Freude.
„Hallo, Frau Tallet. Ich wollte Sie gerade anpiepen. Das kam per Telex vor zwei Minuten aus Leiden. EUROTRANSPLANT hat für Michelle Saranger ein Herz gefunden.“
Ihr Lächeln erstarb, als Katherine die Hände vor das Gesicht schlug und zu weinen begann.
„Was ... ist passiert?“, fragte Sabine Jenssen unsicher.
„Michelle Saranger ist vor fünfzehn Minuten gestorben“, sagte Katherine tonlos.
Den Nachmittag hatte Mark im Bett verbracht. Als er um siebzehn Uhr aufstand, fühlte er sich ausgeruht und voller Tatendrang.
Und was mache ich jetzt?, grübelte er. Nun ja, auf jeden Fall musste er aus der Wohnung. Zudem spürte er einen unbändigen Drang, sich zu bewegen. Er war es gewohnt, jeden Tag mit dem Fahrrad in seine Firma und zurück zu fahren. Inzwischen hatte er seit über einer Woche nichts anderes getan, als herumzuliegen oder zu sitzen. Es war an der Zeit, sich ein wenig Bewegung zu verschaffen.
Mark entschied sich dafür, schwimmen zu gehen. Ja, Schwimmen wäre genau das Richtige für seinen inzwischen verspannten Rücken, der ihm mehr als jede Prellung zu schaffen machte.
Zufrieden mit seinem Entschluss, raffte er seine Badesachen zusammen. Bis zum Hallenbad war es nur eine Station mit dem Bus, und die Haltestelle lag direkt vor dem Eingang.
Fröhlich pfeifend verließ Mark die Wohnung.
„Achtung! Er kommt jetzt raus!“, flüsterte Vasec Fric in das Handy. Eigentlich hätte er nicht zu flüstern brauchen, denn außer ihm befand sich niemand in dem Haus, aber es war eine Angewohnheit, die sich nur schwer ablegen ließ.
„Weißt du, was er vorhat?“, fragte Kurt Wenner.
Stasi-Arsch, dachte Fric. Find es selbst heraus .
„Nein.“
Fric konnte hören, wie Wenner ins Telefon schnaubte.
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