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Die leise Stimme des Todes (German Edition)

Die leise Stimme des Todes (German Edition)

Titel: Die leise Stimme des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kenlock
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hatte sie fast keine mehr. Für Beziehungen ließ ihr Beruf kaum Zeit.
    „Ich habe wenig geschlafen“, beantwortete Katherine die Frage.
    Reuben wurde ernst. „Ist es wegen Manfred Weber?“
    „Du weißt davon?“
    Er hob die Schultern, als wolle er sagen: Was erwartest du, es ist mein Krankenhaus.
    „Ja, ich habe es gehört. Traurige Sache.“
    „Sehr traurig.“
    „Katherine ... du darfst dich emotional nicht so verausgaben. Wir sind Ärzte, keine Götter und können nicht jeden retten. Wir geben täglich unser Bestes, aber manchmal reicht nicht einmal das aus. Und im Fall von Manfred Weber konnten wir nicht mehr tun, als wir getan haben.“
    „Wirklich? Ist das wirklich so?“
    „EUROTRANSPLANT hatte ihn auf der Empfängerliste nach oben gesetzt. Dass nicht rechtzeitig ein geeigneter Spender gefunden wurde, ist niemandes Schuld.“
    „Ja, wir transplantieren. Herz, Niere, Lunge und was sonst noch alles. Wir schneiden Menschenleiber auf und nähen sie wieder zu, hoffen, dass die Organe zumindest für ein paar Jahre ihren Dienst tun. Aber wer kümmert sich um all die Hoffnungen, die nicht erfüllt werden?“, fragte Katherine bitter. „Wer spricht mit ihnen über die Angst vor dem Tod? Über das Gefühl, jeder Tag könnte der letzte sein?“
    „Dafür gibt es Organisationen. Therapeuten, die den Patienten zur Seite stehen“, meinte Reuben nachsichtig. „Wir können nicht alles tun. Nicht die Verantwortung für alles übernehmen. Wie nanntest du es: ‘Wir schneiden Menschenleiber auf und nähen sie wieder zu?’ Das ist unser Job und wir erledigen ihn, so gut es geht, und das ist eine Menge. Glaub mir!“
    Katherine senkte den Kopf. All das wusste sie selbst, aber es war dennoch kein Trost. Reuben legte seine Hand auf ihre Schulter.
    „Komm, wir gehen einen Kaffee trinken. Einen starken Kaffee! Du siehst aus, als könntest du einen brauchen.“
     
    Um diese frühe Uhrzeit war in der Cafeteria des Krankenhauses nur wenig Betrieb. Drei Schwestern der Nachtschicht saßen an einem Tisch zusammen und unterhielten sich leise. Katherine sah ihnen an, dass sie erschöpft waren. Sie kannte diesen Zustand, man fühlte sich todmüde und wusste dennoch, dass an Schlaf nicht zu denken war, also trank man Kaffee, plauderte ein wenig, bevor man sich auf den Heimweg machte.
    Reuben hielt zielsicher auf die Verkaufstheke zu, ohne darauf zu achten, ob sie ihm folgte. Als Katherine schließlich neben ihm vor der Auslage stand, wandte er sich ihr zu.
    „Willst du ein Stück Kuchen?“ Er deutete auf die Glasvitrine.
    Katherine schüttelte den Kopf. Sie aß morgens nur selten etwas, und Kuchen war das Letzte, worauf sie jetzt Appetit hatte. Allein bei dem Gedanken zog sich ihr Magen zusammen.
    „Kaffee genügt.“
    Reuben gab die Bestellung auf. Mit zwei Tassen dampfendem Kaffee und einem Stück Blaubeerkuchen marschierte er zur Kasse und bezahlte.
    Während er mit der Kassiererin plauderte, beobachtete ihn Katherine. Klaus Reuben war charmant. Für jeden Menschen in seiner Umgebung hatte er ein nettes Wort. Mit Sicherheit war er der beliebteste Arzt an diesem Krankenhaus, aber oft ging ihr seine Freundlichkeit auf die Nerven. Möglicherweise war es Eifersucht, was sich in ihr regte, als sie registrierte, wie ihn die Kassiererin anhimmelte. Seine Versuche, mit jedermann freundlich umzugehen, gaben ihr das Gefühl, nichts Besonderes für ihn zu sein, und sie wollte doch jemand Besonderes in seinem Leben sein. Nicht, dass sich in Katherine irgendwelche romantischen oder erotischen Gefühle für ihn regten, das war es nicht. Es war die Angst, eine der letzten Bezugspersonen in ihrem Leben zu verlieren, denen sie etwas bedeutete.
    Ihre dreijährige Beziehung zu Marcel Widmer, ebenfalls Arzt am Klinikum, war gescheitert, und eine neue Liebe war nicht in Sicht. Zwischen all den anstrengenden Schichten blieb ihr nur wenig Zeit für ein Privatleben; wenn man Menschen kennen lernen wollte, musste man das Haus verlassen, und dazu fühlte sich Katherine meist zu erschöpft. Oft genug reichte ihre Energie gerade noch dazu aus, den Fernseher einzuschalten und sich einen Film anzusehen, bevor sie auf der Couch einschlief.
    In meinem Wohnzimmer werde ich dem Mann meines Lebens nicht begegnen, es sei denn, die Wohnung brennt und er ist bei der Feuerwehr, dachte sie bitter. Sie drängte die düsteren Gedanken beiseite, als Reuben sich grinsend an den Tisch setzte.
    „Du hättest ein Stück Kuchen nehmen sollen“, meinte er

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