Die leise Stimme des Todes (German Edition)
Keller hatte sich hier eingeschlichen! Aber warum?
Er muss herausgefunden haben, dass jemand versucht, ihn umzubringen.
Doch wie war er auf ORGANIC gekommen? Gaster fand keine auch nur annähernd befriedigende Antwort auf diese Frage. Aber das war jetzt nicht wichtig. Allein sein Auftauchen am Kongress versetzte Gaster in Panik.
Sanden, dieses Arschloch hat mich belogen! Er hat behauptet, alles im Griff zu haben, und nun taucht ein Mann in der Klinik auf, der längst tot sein müsste.
Gaster spürte den forschenden Blick von Ulrike Meinert und wandte sich ihr zu.
„Sie sagten, Sanden macht gerade eine Führung?“
„Ja.“
„Sobald die Führung beendet ist, möchte ich ihn in meinem Büro sehen, aber vorher schicken Sie Koszieky rauf. Sofort!“
Kein Dankeschön, Frau Meinert. Kein Das-haben-Sie-gut-gemacht. Aber Ulrike Meinert hatte nichts anderes erwartet. Hauptsache, sie kam aus diesem Büro raus. Es roch verdächtig nach Ärger für Sanden, und Ulrike wollte nicht anwesend sein, wenn der Sturm über ihn hereinbrach. Dass er hereinbrechen würde, daran zweifelte sie keine Sekunde.
Die beiden Frauen blieben abrupt in der offenen Tür stehen und sahen Katherine überrascht an. Eine der beiden war schätzungsweise im gleichen Alter wie Katherine, genauso groß, mit schmalem Gesicht, dünnen Lippen und braunen, zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haaren.
Das Haar der anderen Frau war grau. Kurz. Sehr kurz. Es erinnerte Katherine an die Frisur eines Soldaten, und der Gesichtsausdruck der Frau passte dazu. Sie hatte etwas Katzenartiges, Lauerndes an sich, das auf einen unausgeglichenen Charakter schließen ließ. Ihre blassen Augen glitten unruhig zwischen Katherine und der jungen Sachbearbeiterin hin und her.
„Was machen Sie hier?“ Die Frage klang wie ein Zischen.
Katherine erhob sich hastig. Sie stellte sich so vor den Schreibtisch, dass ihr Körper den Bildschirm verdeckte.
„Guten Tag. Ich bin Ärztin und nehme am Kongress teil. Ihre Kollegin war so freundlich, mir zu erlauben, eine E-Mail zu verschicken.“
Die Frau feuerte einen zornigen Blick auf die junge Sachbearbeiterin ab, dann trat sie einen Schritt auf Katherine zu.
„Das geht nicht. Sie haben hier nichts verloren.“ Ihre Augen suchten das Namensschild auf Katherines Jackett. „Bitte verlassen Sie das Büro. Augenblicklich!“
Katherine zögerte noch. In Gedanken hatte sie die Sekunden mitgezählt. Der Kopiervorgang sollte abgeschlossen sein, aber sicher war sicher.
„Ich hoffe, ich habe niemandem Schwierigkeiten bereitet.“ Unauffällig bewegte sie die Maus, klickte auf das „X“ am oberen rechten Bildschirmrand und schloss Kellers Website.
„Nein, aber gehen Sie jetzt!“
Die Aufforderung war unmissverständlich. Jede weitere Verzögerung würde Misstrauen erwecken.
„In Ordnung.“ Katherine nickte der jungen Sachbearbeiterin zu, die verängstigt versuchte, sich hinter ihrem Aktenstapel so klein wie möglich zu machen. „Danke vielmals für Ihre Freundlichkeit.“
Wenige Schritte und sie hatte das Büro verlassen. Hinter ihr fiel die Tür ins Schloss. Katherine gestattete sich einen erleichterten Seufzer.
Jetzt galt es, schnell wieder Anschluss an die Gruppe zu finden, bevor jemand ihr Verschwinden bemerkte. Sie bog um die Ecke und prallte mit Rico Sanden zusammen.
Koszieky wusste nicht, was er von der Aufforderung halten sollte, in Gasters Büro zu erscheinen. Er war noch nicht oft dort gewesen, und wenn hatte ihn Rico Sanden begleitet. Nun wollte ihn der Boss sprechen – allein! Das konnte nichts Gutes bedeuten.
Unsicher stapfte er die Treppe in den ersten Stock hinauf. Vor der Tür blieb er stehen und starrte auf das elektronische Zahlenschloss, das den Zugang zu Gasters Büro sicherte. Er wusste, der Zahlencode änderte sich von Woche zu Woche und nur Gaster kannte ihn. Er war ein Fanatiker, wenn es um Sicherheit ging. Ein weiterer Grund, warum ihn Koszieky nicht mochte. Gaster war kein Mann der Straße wie er oder Sanden, der sich nach oben gekämpft hatte. Nein, Gaster war anders. Mit ausgezeichneten Manieren, einer Bildung, die Kosziekys Horizont weit überstieg, und einer harten Stimme, die wahrscheinlich schon im Kindergarten Befehle erteilt hatte.
Es war nicht so, dass sich Koszieky vor ihm fürchtete, er konnte Gaster mit einer Hand erwürgen, wenn nötig – der Mann war ihm unangenehm. Gaster kam aus einer Welt, die Koszieky nicht verstand, einer Welt, in der Regeln herrschten, von denen er
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