Die leise Stimme des Todes (German Edition)
keine Ahnung hatte, und entsprechend sorgte er sich, er könnte in Gasters Nähe das Falsche sagen oder tun, ohne zu wissen, dass es falsch war.
Nur zögernd hob er die Hand und klopfte gegen das schwere Holz. Von drinnen kam die gedämpfte Aufforderung zum Eintreten. Mit einem Summen entriegelte sich die elektronische Sperre. Koszieky atmete tief durch und öffnete die Tür.
„Wo kommen Sie denn her?“
Katherine konnte sehen, dass Sanden verärgert war. Sein linkes Augenlid zuckte nervös.
Katherines Gehirn war wie leergefegt. Sie musste etwas sagen. Ihm einen plausiblen Grund dafür nennen, warum sie die Gruppe verlassen hatte.
„Ich habe eine Toilette gesucht.“
Sein Blick bohrte sich in ihre Augen.
„Die Führung ist zu Ende. Und die Toiletten befinden sich am Ende des Ganges.“ Sandens Hand deutete in die entsprechende Richtung.
„Danke“, murmelte Katherine hastig und zwängte sich an dem Verwaltungschef vorbei, bevor er weitere Fragen stellen konnte.
Während ihre Absätze über den Boden klapperten, konnte sie spüren, dass Sanden ihr nachsah.
Es war höchste Zeit, aus der Klinik zu verschwinden.
Thomas Gaster hatte Koszieky deutlich erklärt, was er von ihm verlangte. Er hatte es sehr deutlich erklärt. Nicht etwa, weil er den Russen für dumm hielt, nein, diesen Fehler würde Gaster nicht begehen, es war vielmehr der spürbare Widerstand, der von Koszieky ausging, obwohl er während der Unterhaltung kein Wort gesagt hatte.
„Wenn alles erledigt ist, kommen Sie zu mir und erstatten Bericht! Ist das klar?“
Koszieky nickte.
Gaster wollte ihn gerade wegschicken, als sein Telefon läutete. Verärgert hob er ab.
„Was ist?“, knurrte er in den Hörer.
„Hier ist Frau Sonntag aus der Verwaltung“, meldete sich eine Frau am anderen Ende der Leitung.
Gaster kannte sie. Ein verbiestertes Weib, das ihm ständig auf die Nerven ging. Ordnungsliebend, energisch und so trocken, dass ihr Gaster jedes Mal, wenn er ihr auf dem Gang begegnete, nachblickte, um zu sehen, ob sie eine Staubwolke hinter sich herzog.
„Was gibt es jetzt schon wieder, Frau Sonntag?“
„Ich möchte, dass Sie Frau Kotter abmahnen.“
Kotter. Den Namen hatte er nie gehört.
„Kann das nicht warten, Frau Sonntag?“, fragte Gaster entnervt. „Im Klinikum findet gerade ein Kongress statt und ich habe alle Hände -“
„Darum geht es ja. Einer der Kongressteilnehmer hat unseren Computer benutzt. Frau Kotter -“
„Jemand hatte Zugang zu unserem System?“, fragte Gaster verblüfft.
„Ja.“
Panik wallte in Gaster auf. Keller. Es musste Keller gewesen sein. Er hatte sich hier eingeschlichen, um die Klinik auszuspionieren. Irgendwie hatte er den Zusammenhang zwischen den Unfällen und seiner Person aufgedeckt und versuchte nun, Beweise zu finden.
„Haben Sie den Mann gesehen?“, fragte Gaster.
„Mann? Wieso Mann? Es war kein Mann, es war eine Frau. Eine Ärztin.“
Okay, ganz ruhig bleiben, befahl sich Thomas Gaster. Vielleicht war die Sache ja harmlos. Die nächsten Worte der Verwaltungssachbearbeiterin zerstörten diese Hoffnung jäh.
„Es war eine Frau Tallet vom Universitätsklinikum München. Die Kongressteilnehmer tragen doch alle diese Namensschilder. Ich ...“
Aber da hörte Gaster schon nicht mehr hin. Alles war gerade eben noch viel schlimmer geworden, als er es sich je hätte vorstellen können.
Ulrike Meinert traf einen verwirrten Rico Sanden, der sich ständig mit den Händen durch die Haare fuhr. Er war auf dem Weg zurück zum Kongressraum gewesen, als ihm die Empfangsdame mitteilte, Gaster wünsche ihn dringend zu sprechen.
In Gedanken war er noch immer bei der Ärztin, die angeblich eine Toilette gesucht hatte. Sanden konnte nicht den Finger darauf legen, aber er hatte das Gefühl, belogen worden zu sein. Er beschloss, die Frau im Auge zu behalten.
Als er vor Gasters Büro stand und anklopfen wollte, wurde die Tür von innen geöffnet. Koszieky, schwerfällig wie immer, schob seinen mächtigen Körper an ihm vorbei. Für einen Moment begegneten sich ihre Blicke. In Kosziekys Augen lag ein merkwürdiger Ausdruck, wie ihn Sanden noch nie bei dem Russen gesehen hatte, aber dann war dieser Augenblick vorbei und er betrat das Büro, während Koszieky die Tür hinter sich schloss.
„Du hast Scheiße gebaut. Riesengroße Scheiße!“, tobte Gaster, noch bevor er Platz genommen hatte. „Mark Keller ist hier in der Klinik!“ Gaster warf den Computerausdruck, den ihm Ulrike
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