Die leise Stimme des Todes (German Edition)
die Tür.
Ulrike Meinert fand Sanden nicht. Schließlich traf sie Koszieky, der ihr erklärte, Sanden führe gerade eine Gruppe von Kongressteilnehmern durch die Klinik. Ulrike bedankte sich bei dem hünenhaften Russen und überlegte, was sie nun tun sollte. Als sie langsam den Gang hinunterging, spürte sie Kosziekys Blicke in ihrem Rücken. Ulrike fürchtete sich vor ihm. Was Koszieky für eine Aufgabe in der Klinik hatte, war ihr noch immer schleierhaft, aber sie fragte nicht danach. Sanden mochte es nicht, wenn man neugierig wurde, und Gaster zu fragen, kam überhaupt nicht in Frage.
Im Haus wurde gemunkelt, Koszieky sei so etwas wie Sandens persönlicher Leibwächter, seine Figur ließ jedenfalls darauf schließen, allerdings konnte niemand die Frage beantworten, wozu der Chef der Verwaltung einen Bodyguard benötigte. Also wurde weiter gemunkelt und immer neue Gerüchte machten die Runde, aber da Koszieky sich stets im Hintergrund hielt, wurden keine Fragen gestellt und seine Anwesenheit ignoriert.
Ulrike Meinert entschied sich dafür, Gaster von ihrer Entdeckung zu berichten. Der Klinikleiter mochte zwar ebenso wenig wie Sanden Störungen, aber die meiste Zeit war er ganz umgänglich. Sie stieg die zwei Treppen in den ersten Stock hinauf, nahm den Seitengang, bis sie vor seinem Büro stand.
Gaster öffnete die Tür in dem Moment, als sie anklopfen wollte. Sein Gesicht drückte Überraschung aus, und Ulrike beeilte sich, ihm zu erklären, warum sie ihren Arbeitsplatz verlassen hatte.
„Ich habe etwas entdeckt, das Sie sich ansehen sollten“, sagte sie hastig.
„Was ist es?“, fragte Gaster. Sein Gesichtsausdruck war nichtssagend wie immer.
„Mir ist eine Merkwürdigkeit in den Unterlagen eines Kongressteilnehmers aufgefallen.“
Sie hob die mitgebrachten Computerausdrucke hoch.
„Gehen wir in mein Büro!“, befahl Gaster.
15. Kapitel
Die Pension wirkte urtümlich, aber auch ein wenig baufällig. Sie lag abseits der Straße hinter einem großen Bauernhof und somit ideal für einen Unterschlupf.
Es war ein niedriges Haus mit grob verputzten Wänden, die rustikal wirken sollten, aber schäbig aussahen. Die ehemals weiße Farbe hatte inzwischen einen gelblichen Ton angenommen und blätterte von der Fassade. Die Eingangstür sah aus, als genüge ein Fußtritt, um sie aus den Angeln zu heben.
Vom Bauernhof wehte der Geruch von Dung herüber. Mark versuchte, den Gestank zu ignorieren, aber es gelang ihm nicht. Trotzdem, dies war das ideale Versteck. Niemand würde ihn hier vermuten, und da er nicht vorhatte, sich mehr als ein paar Stunden darin aufzuhalten, war auch die Umgebung nicht wichtig. Entschlossen drückte er auf das altmodische Klingelschild.
Ein Mann um die Sechzig, in blauem Overall und dreckigen Gummistiefeln öffnete ihm die Tür. Er war korpulent. Ein mächtiger Bauch spannte den dicken Stoff.
Anscheinend gehörten Bauernhof und Pension zusammen, denn von dem Mann strömte ein Geruch aus, der darauf schließen ließ, dass er sich vor kurzem noch im Stall befunden hatte.
Misstrauische Augen musterten Mark. Ein Ausdruck von Widerwillen trat in diesen Blick, als der Bauer den Aktenkoffer entdeckte.
Er hält mich für einen Vertreter, schoss es Mark durch den Kopf.
„Guten Tag, sind Sie der Besitzer?“, fragte er.
„Ja.“ Es klang wie ein Knurren.
„Ich möchte ein Zimmer mieten.“
Die Augen wanderten vom Aktenkoffer zurück zu Marks Gesicht. Der Blick wurde nicht freundlicher. Auf dem Land wurden Fremde immer noch als Störung angesehen.
„Für wie lange?“
„Eine Nacht.“
„Siebzig.“
„Was Siebzig?“, fragte Mark.
„Siebzig Euro. Das ist der Übernachtungspreis.“
Für diese Bruchbude?, dachte Mark. Er hatte die Zimmer zwar noch nicht gesehen, aber es war nicht damit zu rechnen, dass sie sich vom restlichen Haus unterschieden. Trotzdem, er brauchte einen ruhigen Platz. Siebzig Euro hin oder her.
„Ich nehme es.“
Der Bauer wandte sich wortlos um. Für Mark die Aufforderung, ihm zu folgen.
Von innen wirkte das Haus nicht mehr ganz so verfallen. Zumindest machte es einen sauberen Eindruck. Der Bauer stieg eine Treppe mit knarrenden Stiegen hinauf, und Mark trottete hinter ihm her. Schließlich blieben sie vor einem Zimmer mit niedriger Tür stehen.
„Das ist es.“ Eine behaarte Pranke deutete auf die Tür. „Alle anderen Zimmer sind belegt. Wir sind fast ausgebucht.“
Wer’s glaubt,dachte Mark, verkniff sich aber eine
Weitere Kostenlose Bücher