Die leise Stimme des Todes (German Edition)
Meinert gebracht hatte, auf den Schreibtisch.
„Was ist das?“, wagte Sanden zu fragen.
„Was das ist?“, kreischte Gaster. „Sieh es dir an! Sieh einfach genau hin!“
Rico nahm das Blatt Papier in die Hand und begann zu lesen. Es dauerte nicht lange und er hatte es überflogen, aber schlau wurde er daraus nicht.
„Sag mir, was das soll“, wandte er sich an Gaster.
Dieser erhob sich so abrupt, dass sein Stuhl gegen die Wand geschleudert wurde. Zwei Schritte und er stand neben Sanden. Seine Hand zuckte vor und riss ihm das Papier aus den Fingern.
„Du willst wissen, was das ist? Ich sage es dir.“ Er wedelte mit dem Ausdruck herum. „Heute ist ein Mann eingetroffen, den wir alle kennen, aber ganz woanders vermutet hätten. Laut deiner Information befindet sich Mark Keller in Lindau am Bodensee. Nun - auf die Gefahr hin, dich zu enttäuschen – dort ist er nicht, ist er auch nie gewesen, denn Mark Keller hat sich hier in die Klinik eingeschlichen. Wie er das angestellt hat, ist mir nicht ganz klar, aber ich komme noch dahinter. Tatsache ist, er hat sich mit gefälschten Angaben für den Kongress angemeldet.“
Gaster hob die Hand, bevor Rico etwas einwenden konnte. „Ich weiß, was du sagen willst: Keller wäre nicht so verrückt, hier aufzutauchen. Aber genau das hat er getan. Ulrike Meinert, die den Empfang der Teilnehmer abwickelte, erinnert sich an ihn. Ihre Beschreibung passt exakt zu einem Mann, der seit Tagen tot sein sollte.“
„Was erhofft er sich davon, wenn er an dem Kongress teilnimmt?“
„Du Idiot! Bist du wirklich so dämlich zu glauben, Keller nehme bloß an dem Kongress teil? Nein! Er hat etwas vor, und ich weiß auch, wie er es anstellen will.“
Rico zog es vor zu schweigen. Gaster würde ihm seine Überlegungen mitteilen, deshalb hatte er ihn in sein Büro befohlen.
„Keller ist nicht allein. Ah, jetzt wirkst du tatsächlich überrascht“, sprach Gaster weiter. „Er hat eine Verbündete. Eine Frau war vorhin in der Verwaltung und hat einen unserer Computer benutzt.“
Sandens Verwirrung steigerte sich mit jedem Wort, das ihm Gaster an den Kopf warf. Aber dann fiel ihm die Frau ein, die sich heimlich von der Führung durch die Klinik entfernt hatte. Das musste sie sein! Rico fühlte, dass sie es war.
„Was machen wir jetzt?“, fragte er.
„Zunächst müssen wir herausfinden, was diese Frau an unserem Computer wollte. Diesen Teil übernehme ich. Du kümmerst dich um Keller und seine Komplizin. Ihr Name ist Katherine Tallet. Ich vermute, dass sie sich noch in der Klinik befinden, wenn nicht, dann finde sie!“
„Und dann?“
„Legst du sie um! Sofort! Ist das klar?“
„Was ist mit von Wertheim? Wenn die Sache mit Keller wie ein Unfall aussehen soll, müssen wir Vorbereitungen treffen, wenn nicht ...“
Gaster wusste, worauf Sanden anspielte. Bei einem Mord würden sie die Organe verlieren, auf die von Wertheim wartete und für die er bereits bezahlt hatte, aber darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen. Zunächst hieß es, größeren Schaden abzuwenden. Über von Wertheim konnte er sich später Gedanken machen.
„Keine Vorbereitungen! Kein Unfall! Leg die beiden um und fertig!“
„Die Sache könnte gefährlich für uns werden“, wandte Sanden ein. „Wir wissen nicht, ob sie irgendwelche Aufzeichnungen gemacht haben.“
Thomas Gaster trat ganz nah an Sanden heran. Sein Atem strich über dessen Gesicht. „Die Sache ist bereits gefährlich. Und jetzt tu, was ich von dir verlange.“
Mark Keller saß in dem winzigen Zimmer auf einem wackeligen Stuhl und starrte zum Fenster hinaus auf einen trüben Himmel, an dessen Horizont sich Wolken wie Berge auftürmten.
In Gedanken war er bei Katherine Tallet. Inzwischen machte er sich große Sorgen um sie und fragte sich, ob er die Frau nicht einem unüberschaubaren Risiko ausgesetzt hatte. Eigentlich hätte sie sich längst bei ihm melden müssen. So sehr er das Klingelsignal des Handys sonst hasste, im Augenblick sehnte er sich danach.
Er konnte nicht mehr still sitzen, also schritt er die wenigen Meter von Zimmerwand zu Zimmerwand ab. Vom Fenster zum Bauernschrank waren es acht Schritte, wobei er dem Bett ausweichen musste. Der Weg zurück bestand lediglich aus sechs Schritten. In der Addition ergab das vierzehn Schritte. Mark setzte sich Wegmarken, spätestens bei der Zahl einhundert würde sich Katherine melden. Als nichts geschah, erhöht er sein Ziel auf zweihundert Schritte, aber das Handy blieb
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