Die leise Stimme des Todes (German Edition)
jetzt nicht erklären warum, aber ich wollte dich fragen, ob ich ein paar Tage bei dir wohnen kann?“
„Ist etwas geschehen?“, fragte er.
„Ja, aber das erzähle ich dir später. Ist es dir Recht, wenn ich vorbeikomme?“
„Wann immer du möchtest. Du weißt doch meine Tür steht dir immer offen.“
Gott sei Dank, ist auf ihn Verlass, dachte Katherine. Sie glaubte zwar nicht an eine unmittelbare Bedrohung für ihr Leben, aber sicher war sicher. Es konnte nicht schaden, für ein paar Tage von der Bildfläche zu verschwinden. Vielleicht konnte sie Klaus ja auch davon überzeugen, ihr die nächste Woche freizugeben. Zwar würde er einen triftigen Grund für den ungeplanten Urlaub von ihr verlangen, aber Katherine hatte längst beschlossen, ihm alles zu erzählen. Vielleicht wusste er, was man gegen Gaster und seine kriminellen Machenschaften unternehmen konnte.
Katherine parkte ihren Polo in einer Seitenstraße und ging die restlichen Meter zu Fuß. Der Himmel war noch immer Grau in Grau. Dicke Tropfen platschten auf den Bürgersteig, während Katherine in Gedanken die Worte zurechtlegte, mit denen sie Reuben ihre Geschichte erzählen wollte.
Das schmiedeeiserne Tor stand offen. Als Katherine über den Kiesweg auf das Haus zuging, konnte sie sehen, dass sich die Vorhänge in Reubens Arbeitszimmer bewegten. Wahrscheinlich wartete er bereits auf sie.
Das flache Haus, in dem der Klinikleiter wohnte, war eine Villa im Stil der Fünfziger Jahre. Große Fenster und eine Glasveranda zeugten davon, dass man es damals mit energiesparendem Wohnbau noch nicht so genau genommen hatte. Ansonsten war die Villa ein unscheinbarer Würfel, der aussah, als habe Gott einen riesigen Schuhkarton auf den kurz geschnittenen Rasen geworfen. Nur wenige Bäume unterbrachen das eintönige Grün. Katherine verspürte wie jedes Mal, wenn sie die Auffahrt hinauf ging, das Gefühl, über einen Golfplatz zu wandern.
Das Haus selber war von quadratischen Waschbetonplatten bedeckt, die im Regen glänzten. Die breite Haustür aus dunklem Eichenholz wirkte fehl am Platz, als Katherine die drei Stufen hinaufging. Sie fuhr sich kurz durch das nasse Haar, bevor sie den goldenen Klingelknopf drückte. Von drinnen erklang ein melodischer Ton und kurz darauf wurde die Tür geöffnet. Klaus Reuben lächelte sie an, als gebe es nichts Schöneres auf der Welt, als sie zu sehen. Er wischte sich die Hand an der Hose ab, bevor er sie begrüßte.
Reuben trug ausgebeulte braune Cordhosen und ein kariertes Hemd. Katherine wusste, dass er zu Hause keinen Wert auf ordentliche Kleidung legte. Sein graues Haar war vorn perfekt frisiert, stand aber an den Ohren ab.
„Komm rein“, sagte er. „Du hast mir einen ganz schönen Schrecken mit deinem Anruf eingejagt.“
Katherine trat ein. Sie registrierte den Geruch von abgestandener Luft im Hausflur, als sie zur Garderobe hinüberging und ihren feuchten Mantel über den Haken hängte.
„Du solltest mal lüften“, meinte sie vorwurfsvoll.
„Ja, ja. Mach ich noch. Im Augenblick habe ich ... ach was, was interessieren dich meine Sorgen. Lass uns ins Wohnzimmer gehen. Ich habe Kaffee gemacht. Du siehst aus, als könntest du einen gebrauchen.“
„Ja, danke.“ Sie hatte nicht gefrühstückt und nun rumpelte es in ihrem Magen.
Reuben hörte das Geräusch und lächelte. „Am besten mache ich dir auch gleich einen Toast mit Marmelade.“
Während er in der Küche verschwand, ging Katherine ins Wohnzimmer hinüber. Auch hier schien seit Tagen nicht gelüftet worden zu sein. Katherine trat zur Glasschiebetür und zog sie mit einem kräftigen Ruck auf. Kalte, aber frische Luft strömte ins Zimmer. Der Regen wurde von der aufgespannten Markise abgehalten, so dass sich Katherine keine Sorgen machen musste, Reubens wertvoller Berberteppich könne Schaden nehmen.
Sie umkurvte einen niedrigen Metalltisch mit Marmorplatte und ließ sich auf das schwarze Ledersofa fallen. Aus der Küche drang das Blubbern der Kaffeemaschine und das Klappern von Geschirr. Da Klaus noch beschäftigt war, nutzte Katherine die Gelegenheit, sich ein wenig umzuschauen.
Seit ihrem letzten Besuch vor vier Monaten hatte sich nichts verändert. Die hohen Regale waren noch immer schwer mit medizinischen Büchern beladen und quollen fast über. An den Wänden hingen Gemälde alter holländischer Segelschiffe. Schiffe waren Reubens große Leidenschaft. Mindestens einmal im Jahr verdrückte er sich nach Malta, um dort für Wochen auf seiner
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