Die Lennox-Falle - Roman
einen Bourbon, aber das muß nicht sein.«
»Doch, ich habe welchen. Meine zweite Tochter ist mit einem Mann aus South Carolina verheiratet, und der zieht ihn allen anderen Getränken vor … Bitte nehmen Sie Platz, nehmen Sie Platz. Ich hole uns eben was zu trinken.«
»Vielen Dank.« Der Cons-Op-Direktor wurde sich plötzlich dessen bewußt, daß er unbewaffnet war. Er war schon so lange nicht mehr im Außeneinsatz gewesen! Am Ende holte sich der alte Mistkerl jetzt eine Kanone. Doch als Schneider zurückkam, trug er nur ein silbernes Tablett mit Gläsern und zwei Flaschen.
»Das macht alles ein wenig leichter, nicht wahr?« sagte er.
»Mich überrascht, daß Sie mich erwartet haben«, bemerkte Sorenson, als ihre Gläser vor ihnen standen. »Wie Sie schon sagten, liegt das alles so viele Jahre zurück.«
»Meine Frau und ich gehörten damals zu der fanatischen Jugend des Deutschlands jener Zeit. All die Fackelzüge, die Parolen und die Euphorie, der wahren Herrenrasse anzugehören. Das war alles sehr verführerisch, und wir ließen uns verführen. Heinrich Himmler selbst hat uns in unsere Mission eingeführt, und er hat ›langfristig‹ gedacht, wie man heute sagen würde. Ich glaube, er nahm an, daß wir den Krieg verlieren würden, aber er war der These der arischen Überlegenheit mit Leib und Seele ergeben. Nach dem Krieg taten wir das, was man uns befohlen hatte. Und selbst damals glaubten wir noch daran.«
»Also haben Sie den Antrag auf Einwanderung von Janine Clunitz, später Clunes, gestellt und sie adoptiert?«
»Ja. Sie war ein ungewöhnliches Kind, viel intelligenter als Johanna und ich. Von ihrem achten oder neunten Lebensjahr an kamen jeden Dienstagabend Männer und nahmen sie mit an einen Ort, wo sie indoktriniert wurde.«
»Und wo war das?«
»Das haben wir nie erfahren. Am Anfang gab man ihr nur Süßigkeiten und Eis und hatte ihr die Augen verbunden. Später, als sie dann älter war, sagte sie uns nur, sie würde in unserem ›glorreichen Vermächtnis‹ ausgebildet. Das waren ihre Worte, und wir wußten natürlich, was sie bedeuteten.«
»Warum sagen Sie mir das jetzt, Mr. Schneider?«
»Weil ich jetzt seit zweiundfünfzig Jahren in diesem Land lebe. Ich kann nicht sagen, daß es vollkommen wäre. Keine Nation ist das, aber es ist besser als das, wo ich herkam. Wissen Sie, wer hier auf der anderen Straßenseite wohnt?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Die Goldfarbs, Jake und Naomi. Juden. Und sie waren Johannas und meine besten Freunde. Und ein Stück weiter unten an der Straße das erste schwarze Ehepaar, das hier ein Haus gekauft hat. Die Goldfarbs und wir haben eine Begrüßungsparty für sie ausgerichtet, und alle sind gekommen.«
»Das ist aber nicht gerade das, was das Dritte Reich von Ihnen gefordert hat.«
»Menschen ändern sich, wir alle ändern uns. Was möchten Sie von mir wissen?«
»Wie lange ist es her, daß Sie mit Deutschland in Verbindung waren?«
»Mein Gott, diese Idioten rufen immer noch an, zwei- oder dreimal im Jahr. Ich sage denen jedesmal, daß ich ein alter Mann bin und sie mich in Ruhe lassen sollen, weil ich einfach nichts mehr damit zu tun haben will. Ich muß in ihren Computern gespeichert sein oder so. Die lassen einfach nicht locker und hören nicht auf, mir zu drohen.«
»Haben Sie irgendwelche Namen?«
»Ja, einen. Der letzte Anrufer, das ist jetzt einen Monat her, war geradezu hysterisch. Er brüllte mich an, daß ein Herr Traupmann meine Exekution befehlen könnte. ›Weshalb denn?‹ habe ich ihn gefragt. ›Ich werde ohnehin bald tot sein, und dann werde ich euer Geheimnis mit ins Grab nehmen.‹«
Claude Moreaus Mann in München hatte das Haus ausfindig gemacht, in dem Elke Müller, die ehemalige Frau Traupmann, ein
Appartement bewohnte. Um Moreau Zeit zu sparen, hatte das Deuxième Bureau in der Königinstraße Madame Müller angerufen und ihr zu verstehen gegeben, daß ein hochrangiger Beauftragter der französischen Regierung eine vertrauliche Angelegenheit mit ihr besprechen wolle.
Das Appartementgebäude war großzügig und elegant und das Appartement selbst noch beeindruckender. Eine gewagte Mischung aus Barock und Jugendstil.
Elke Müller paßte zu ihrer Umgebung. Eine hochgewachsene, herrisch wirkende Frau Anfang Siebzig mit grauen Strähnen in ihrem dunklen, gepflegten Haar, einem eckigen Gesicht und scharf geschnittenen Zügen. Sie war ganz offensichtlich eine Frau, die sich nicht so leicht einschüchtern ließ; das
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