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Die Lennox-Falle - Roman

Die Lennox-Falle - Roman

Titel: Die Lennox-Falle - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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konnte man in ihren großen, hellen Augen lesen, die beinahe feindselig, aber jedenfalls argwöhnisch blickten.
    »Mein Name ist Claude Moreau, Madame, ich gehöre dem Quai d’Orsay in Paris an«, sagte der Chef des Deuxième Bureau, nachdem ihn das Dienstmädchen in einen Salon geführt hatte.
    »Nehmen Sie bitte Platz und erklären Sie mir, worum es bei dieser vertraulichen Angelegenheit geht. Ich kann mir nicht vorstellen, weshalb die französische Regierung sich für mich interessieren sollte.«
    »Verzeihen Sie mir, Madame, aber ich glaube, das ahnen Sie sehr wohl.«
    »Werden Sie nicht impertinent, Monsieur.«
    »Bitte entschuldigen Sie. Ich will nur ganz offen zu Ihnen sein.«
    »Da spricht der Diplomat. Es geht um Traupmann, nicht wahr?«
    »Sie waren mit ihm verheiratet -«
    »Nicht sehr lange«, unterbrach ihn Elke Müller schnell und entschieden, »aber jedenfalls zu lange. Ich habe ihn vor über dreißig Jahren verlassen, aber jedesmal, wenn ich an ihn denke - was erfreulicherweise nicht allzu oft ist -, läuft es mir kalt über den Rücken.«
    »Könnten Sie das freundlicherweise erläutern?«
    »Wenn es unbedingt sein muß … Ich habe Hans Traupmann ziemlich spät geheiratet. Ich war einunddreißig, er dreiunddreißig
und schon in so jungen Jahren ein äußerst erfolgreicher Chirurg. Er hat mich beeindruckt, und ich glaubte, unter seiner kühlen Fassade stecke ein guter Mensch. Was ihn zu mir hingezogen hatte, wurde ziemlich schnell offenkundig. Ich stamme aus einer wohlhabenden Familie aus Baden-Baden, altes Geld, und das verschaffte ihm Zugang zu den Kreisen, in die er aufgenommen werden wollte. Sie müssen wissen, seine Eltern waren Ärzte, aber keine sonderlich sympathische Menschen, und ganz sicherlich nicht sehr erfolgreich, hauptsächlich in Kliniken tätig, die den unteren Schichten -«
    »Gestatten Sie bitte«, unterbrach sie Moreau, »ich würde gerne wissen, ob er seine Stellung als ihr Ehemann dazu benutzt hat, um seine gesellschaftlichen Ambitionen zu fördern?«
    »Das sagte ich doch gerade.«
    »Warum hat er dann die Scheidung riskiert?«
    »Dazu hatte er nicht viel zu sagen. Außerdem hatte er sich in den fünf Jahren die Verbindungen geschaffen, die er brauchte, und für den Rest reichten seine eigenen Fähigkeiten. Mit Rücksicht auf meine Familie erklärte ich mich mit einer einvernehmlichen Scheidung einverstanden - wegen unüberbrückbarer gegenseitiger Abneigung, ohne daß eine der beiden Seiten der anderen irgend etwas vorwarf. Das war der größte Fehler, den ich je gemacht habe, und mein Vater hat mich vor seinem Tode auch deshalb sehr kritisiert.«
    »Darf ich fragen warum?«
    »Sie kennen meine Familie nicht, Monsieur. Müller ist in Deutschland kein seltener Name. Ich will es Ihnen erklären. Meine Familie hat sich gegen den Verbrecher Hitler und seine Spießgesellen gestellt. Mein Vater sagte immer, Hitlers Schmähreden seien nicht mehr als die schwülstigen Ausfälle eines Mannes, der auch die belangloseste Opposition durch Mord ausschalten wollte, so lange daraus keine Konsequenzen erwuchsen. Aber Herrn Hitler ist es zu verdanken, daß meine beiden Brüder an die russische Front geschickt wurden, wo sie den Tod fanden, wahrscheinlich sogar durch deutsche Kugeln und nicht etwa solche der Sowjets.«
    »Würden Sie bitte auf Hans Traupmann zu sprechen kommen?«

    »Er war ein Nazi durch und durch«, sagte Madame Müller ruhig und wandte ihr Gesicht der Nachmittagssonne zu, die durchs Fenster strömte. »Es war seltsam, beinahe unmenschlich, aber er sehnte sich nach Macht, schierer Macht jenseits der Grenzen seines Berufes. Er zitierte immer wieder die Theorien von der überlegenen arischen Herrenrasse, als wäre sie unfehlbar, obwohl er wissen mußte, daß das nicht der Fall war. Ich glaube, das war einfach die Verbitterung eines jungen Mannes, den die Elite Deutschlands ablehnte, weil er ungehobelt und alles andere als liebeswürdig war.«
    »Sie wollen damit auf etwas ganz Bestimmtes hinaus, denke ich«, sagte Moreau.
    »Ja, allerdings. Er fing an, in unserem Haus in Nürnberg Zusammenkünfte abzuhalten, mit Leuten, von denen ich wußte, daß sie eingefleischte Nationalsozialisten waren, fanatische Hitleranhänger. Er ließ den Keller, wo sie sich jeden Dienstag trafen, schalldicht auskleiden - ich durfte daran nicht teilnehmen. Es wurde viel getrunken, und ich konnte aus unserem Schlafzimmer trotz der Schalldämmung immer wieder ihr Geschrei und ihr ›Sieg Heil‹ und

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