Die Lennox-Falle - Roman
›absurd‹ sagen.«
»Oder umgedreht?«
»Nie im Leben!«
»Deshalb muß ich mit Harry reden … Augenblick mal, Sie sind ja von Moreau ziemlich überzeugt. Kennen Sie ihn?«
»Ich weiß, daß die ostdeutsche Abwehr panische Angst vor ihm hatte, genauso wie später die Neonazis, weil er die Verbindung zwischen ihnen und der Stasi vor allen anderen erkannt hat, mit Ausnahme vielleicht Ihres Bruders. Freddie ist ihm einmal bei einer Einsatzbesprechung in München begegnet und kam ganz begeistert zurück. Er hielt Moreau für ein Genie.«
»Und was sollen wir jetzt machen?«
»Wir befinden uns in einer Zwickmühle«, sagte Karin. »Ich glaube, anders kann man es nicht formulieren, wenigstens solange Sie nicht mit Harry gesprochen haben, und das können Sie um Ihrer eigenen Sicherheit willen weder im Meurice noch in der Botschaft tun.«
»Das sind aber die einzigen Nummern, die er hat«, wandte Drew ein.
»Ich möchte Sie noch einmal bitten, mir zu vertrauen. Ich habe hier in Paris Freunde aus meiner Zeit in Amsterdam, Freunde, denen Sie vertrauen können. Wenn Sie wollen, gehe ich noch einen Schritt weiter und gebe dem Colonel ihre Namen.«
»Wozu? Warum?«
»Die könnten Sie verstecken, und trotzdem könnten Sie weiter hier in Paris tätig sein; sie sind weniger als eine Dreiviertelstunde von der Stadt entfernt. Und ich selbst kann mit der plausibelsten Erklärung, die es gibt, Verbindung zu Moreau aufnehmen - mit der Wahrheit, Drew.«
»Sie kennen Moreau also.«
»Nicht persönlich, nein, aber zwei Mitarbeiter des Deuxième haben mich befragt, ehe ich in die Botschaft kam. Der Name de Vries wird mir Zugang zu ihm verschaffen, glauben Sie mir.«
»Ja. Aber was für eine Wahrheit wollen Sie ihm denn sagen? Daß er selbst unter Verdacht steht?«
»Eine andere Wahrheit. Auf Sie sind drei Attentate verübt worden, und abgesehen von Ihrer ganz verständlichen Besorgnis -«
»Nennen Sie das Kind ruhig beim Namen«, fiel Lennox ihr ins Wort. »Sagen Sie ruhig Angst. Ich bin jedesmal nur knapp dem Tod entgangen und mit den Nerven ziemlich am Ende.«
»Also schön, das ist ehrlich; das wird er akzeptieren … Abgesehen von Ihrer Angst um Ihr eigenes Leben müssen Sie sich mit Ihrem Bruder treffen, der aus London herübergeflogen kommt - Tag und Zeitpunkt unbekannt - und Sie dürfen auch sein Leben nicht aufs Spiel setzen, indem Sie sich in der Öffentlichkeit zeigen. Sie werden für ein paar Tage untertauchen und mit ihm wieder Verbindung aufnehmen, wenn die Luft rein ist. Ich habe natürlich keine Ahnung, wo Sie sind.«
»Die Geschichte hat ein großes Loch. Nämlich, weshalb gerade Sie für mich sprechen?«
»Colonel Witkowski wird bestätigen, daß mein Mann mit Ihrem Bruder zusammengearbeitet hat. Moreau nimmt an, daß Sie das wußten, und wird deshalb verstehen, daß Sie mich als Vermittlerin einsetzen.«
»Das könnte funktionieren«, sagte Drew mit leiser Stimme und sah sich wieder in dem Lokal um, das sich inzwischen gefüllt hatte. »Ich habe irgendwie das Gefühl, daß im nächsten Augenblick hier einer aufsteht und auf mich zu schießen anfängt.«
»Das ist ziemlich unwahrscheinlich«, sagte de Vries. »Wir sind hier ganz nahe bei der Botschaft, und Sie haben keine Ahnung, wie sehr es die Franzosen belastet, daß sie so wenig Kontrolle über den Terrorismus haben.«
»Das ist bei den Engländern genauso und trotzdem werden vor Harrods Leute erschossen.«
»Aber nicht oft, und die Engländer haben ihren Hauptfeind, die IRA, isoliert, der Teufel soll sie holen. Die Franzosen sind Zielscheiben für so viele andere. Ganze Arrondissements sind mit kriegführenden Parteien aus dem Ausland bevölkert. Auch in den skandinavischen Ländern werden die Proteste gewalttätiger, von den Niederlanden ganz zu schweigen - den friedlichsten
Menschen, die man sich vorstellen kann, wo die Rechten und die Linken dauernd aufeinander herumprügeln.«
»Und dann Italien, wo die Mafiakorruption in Rom die Leute entzweit, Männer sich im Parlament prügeln und dauernd Bomben hochgehen. Oder Spanien, wo die Katalonier und die Basken nicht nur Waffen tragen, sondern die Vorurteile ganzer Generationen mit sich herumschleppen. Und dann der Nahe Osten, wo die Palästinenser Juden und die Juden Palästinenser umbringen und jede Seite der anderen die Schuld gibt, während in Bosnien-Herzegowina Leute sich gegenseitig massakrieren, die früher friedlich zusammengelebt haben. Und nirgends unternimmt einer etwas dagegen. Es
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