Die Leopardin
erlebte er seinen zweiten Schrecken an diesem
Abend. »Ist sie nicht schön?« flüsterte ihm de Lorys ins Ohr.
»O
doch«, bestätigte Renard mit trockenem Sarkasmus. Unter dem Stirnband,
an dem Münzen hingen, leuchteten groÃe, dunkle, mit Kajal umrandete
Augen. In den Falten des dünnen, golden bestickten Kleids lieà sich
kein Dolch verbergen. Die vollen Lippen schimmerten blutrot, das Haar,
das den wellenförmig bewegten Körper umflatterte, erinnerte an ein
Weizenfeld im Sonnenschein. Doch die Haut war nicht so hell, wie es zu
einer solchen Haarfarbe gepaÃt hätte, sondern glich goldenem Honig.
Vor
Madam FitzUrses gaffenden Gästen vollführte die Frau den üblichen
erotischen Tanz, der Neuankömmlinge in Levante um den Verstand zu
bringen pflegte. Die Kenner der Szene wären vielleicht gelangweilt
davongeschlendert, hätte das ungewöhnliche Aussehen der Tänzerin sie
nicht gefesselt â oder vielleicht die Art, wie sie sich umblickte.
Eine in die Enge getriebene Löwin â eine angriffslustige Pfote
erhoben, dachte Renard.
Die Glöckchen an den FuÃreifen
und am Oberteil des Kleids bimmelten, zwischen Daumen und Zeigefingern
klirrten kleine silberne Rhythmusinstrumente. Die geschmeidig
kreisenden Hüften übten eine hypnotisierende Wirkung aus. SchweiÃ
glänzte auf dem Gesicht und zwischen den runden Brüsten.
»O
Gott!« stöhnte de Lorys, während sie immer schneller umherwirbelte. Sie
warf den Kopf in den Nacken, heftig baumelten die Münzen über der Stirn
hin und her. Fackelschein tanzte über die Goldstickerei des wehenden
Schleiergewands. Verächtlich glitt ihr Blick über das erregte,
begierige Publikum, kalt wie die Augen eines nächtlichen Raubtiers.
Lachend leckte sie über die roten Lippen, entblöÃte strahlend weiÃe,
ebenmäÃige Zähne. Herausfordernd flackerte die Zunge.
Renard
verspürte wachsende Erregung und senkte den Blick. Nach seiner ersten
Ankunft in Antiochia hatte er sich hemmungslos mit Tänzerinnen
vergnügt â unfähig, an sein Glück zu glauben. Bald war er
übersättigt gewesen, und die Mädchen hatten ihn nicht mehr gereizt.
Sein Appetit war allmählich zurückgekehrt, aber nun mäÃigte er sich,
wenn er seine Lust befriedigte. Sobald das schwüle, aufdringliche
Parfüm dieser Frauen in seinen Nasenlöchern zu kleben begann, übte er
wieder Zurückhaltung.
Das erschien ihm auch jetzt
ratsam. Der Appetithappen, den er da vor sich sah, war gewiÃ
verlockend, aber vermutlich so heiÃ, daà er sich die Finger dran
verbrennen würde. Und dafür wollte er keine halbe Mark opfern. Rastlos
trat er von einem Fuà auf den anderen. Männer warfen Münzen rings um
die stampfenden FüÃe der Tänzerin. Ihre Hände wanderten über ihren
Körper, ahmten die Liebkosungen eines Liebhabers nach, dann ging sie in
die Knie, die Brüste hochgereckt, den Kopf weit in den Nacken
zurückgelegt. Das Haar fegte den Boden, während die Trommelschläge
ihrem Höhepunkt entgegenstrebten.
Renard konnte nicht
anders, er muÃte wieder hinschauen. Sie hatte die Augen geschlossen,
aber als das Dröhnen der Trommeln verebbte, neigte sie sich vor und
erwiderte seinen Blick. Da merkte er, daà ihre Augen nicht braun waren,
wie er gedacht hatte, sondern dunkelblau wie der Himmel jenseits der
Sterne.
Tosender Beifall erfüllte den âºKrummsäbelâ¹. Die
Männer stieÃen schrille Pfiffe aus, hämmerten auf die Tische,
verlangten Zugaben. Münzen regneten auf die atemlose Frau hinab. Ein
betrunkener junger Idiot, der nach ihr greifen wollte, wurde am Genick
gepackt und zurückgezerrt. Anmutig stand sie auf, die dichten, mit RuÃ
geschwärzten Wimpern gesenkt. Begleitet von einem leisen Trommelwirbel
tänzelte sie zwischen den verstreuten Münzen umher, bückte sich hin und
wieder, um welche aufzuheben.
Renard spürte seinen
trockenen Mund, seine schweiÃnassen Handflächen, die er an der Tunika
trocknete. Abrupt kehrte er dem Mädchen den Rücken und bahnte sich
einen Weg zwischen den begierigen Männern. Madam FitzUrse, die an einem
der Tische saÃ, lächelte ihn wissend an und ergriff einen Krug, um
seinen Becher randvoll zu gieÃen. »Nun, wie gefällt sie Euch, Mylord?«
Hastig trank Renard einen groÃen Schluck, um nichts zu verschütten. »Eine gute
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