Die Leopardin
ergriffen, der sich jetzt als Stahlstange entpuppte. Abwehrbereit hielt sie sie über ihren Kopf, doch kaum dass es hell geworden war und sie den Mann deutlich erkennen konnte, hieb sie ihm die Stange mit Wucht über den Schädel. Es war ein lähmender Schlag. Der Mann sackte zu Boden und blieb dort reglos liegen.
Flick erhob sich. Das Gefühl kehrte rasch wieder in ihren Arm zurück. Sie griff nach ihrer Sten.
Ruby kniete über dem Mann, der auf dem Boden lag. »Darf ich dir Wachtmeister Becker vorstellen?«, sagte sie.
»Ist dir auch nichts passiert?«, fragte Flick zurück.
»Mir tut alles weh, aber diesem Scheißkerl werd ich ‘s heimzahlen.« Sie packte Becker an seinem Uniformhemd, zerrte ihn hoch und hievte ihn mit großer Anstrengung auf den Operationstisch.
Er stöhnte.
»Er kommt zu sich!«, sagte Flick. »Ich geb ihm den Rest.«
»Gib mir zehn Sekunden Zeit!« Ruby streckte die Extremitäten des Mannes aus, gurtete ihn an Hand- und Fußgelenken fest und legte die Kopfklammer an, sodass er sich nicht bewegen konnte. Schließlich nahm sie den Hartgummizylinder, der mit dem Elektroschockgerät verbunden war, und stopfte ihn Becker in den Mund.
Der Wachtmeister würgte und rang nach Luft, konnte sich jedoch nicht wehren. Ruby nahm eine Rolle Isolierband zur Hand, riss mit den Zähnen ein Stück ab und klebte damit den Zylinder fest, sodass er nicht aus dem Mund herausrutschen konnte. Dann trat sie an den Apparat und fummelte am Schalter herum.
Ein leises Summen ertönte. Der Mann auf dem Tisch stieß einen erstickten Schrei aus. Sein an den Tisch gegürteter Körper bäumte sich krampfhaft auf. Ruby betrachtete ihn einen Moment lang, dann sagte sie: »Hauen wir ab!«
Sie gingen hinaus und ließen Wachtmeister Becker auf dem Foltertisch liegen. Er zuckte, wand sich und kreischte grunzend wie ein Schwein im Schlachthaus.
Flick sah auf ihre Uhr. Zwei Minuten waren vergangen, seit Jelly die Zündschnüre in Brand gesetzt hatte.
Sie traten hinaus in den Korridor. Die allgemeine Verwirrung hatte sich gelegt. In der Nähe des Eingangs standen drei Soldaten und unterhielten sich ruhig. Flick ging rasch auf sie zu. Ruby folgte ihr dicht auf den Fersen.
Flicks Instinkt sagte ihr, sie solle einfach an den Uniformierten vorbeigehen und sich dabei auf ihre selbstbewusste Miene verlassen, doch dann sah sie durch die Türöffnung die große Gestalt Dieter Francks auf sich zukommen. Zwei oder drei Personen, die sie nicht genau erkennen konnte, folgten ihm. Sie blieb so abrupt stehen, dass Ruby von hinten auf sie auflief. Flick öffnete sofort die nächste verfügbare Tür; sie war mit Funkraum bezeichnet. Niemand war darin, und die beiden Frauen schlüpften hinein.
Flick ließ die Tür ein Stückchen offen stehen und hörte Major Franck auf Deutsch brüllen: »Hauptmann, wo sind die beiden Männer, die den Eingang bewachen sollten?«
»Das weiß ich nicht, Herr Major, ich hab mich eben selbst erkundigt.«
Flick entfernte den Schalldämpfer von ihrer Sten und schaltete um auf Schnellfeuer. Bislang hatte sie erst vier Patronen verschossen, sodass noch achtundzwanzig im Magazin waren.
»Feldwebel, Sie und der Unteroffizier übernehmen hier den Posten! Hauptmann, Sie gehen hoch in Major Webers Büro und sagen ihm, dass Major Franck ihm dringend empfiehlt, im Untergeschoss umgehend eine Durchsuchung vornehmen zu lassen. Abtreten!«
Einen Moment später hörte man Major Franck am Funkraum vorbeigehen. Flick wartete und lauschte. Eine Tür knallte, und Flick riskierte einen Blick hinaus auf den Korridor. Franck war verschwunden.
»Gehen wir«, sagte sie zu Ruby. Sie verließen den Raum und gingen auf den Kellereingang zu.
Der Unteroffizier sagte auf Französisch: »Was tun Sie denn hier?«
Flick hatte sich schon eine Antwort zurechtgelegt. »Meine Freundin Valerie ist neu bei uns. In dem Chaos nach dem Stromausfall hat sie sich verlaufen.«
Der Unteroffizier blieb skeptisch. »Oben ist es doch noch hell – wie kann sie sich da verlaufen haben?«
Ruby sagte: »Ich bitte um Entschuldigung, Herr Offizier, ich dachte, ich sollte hier unten putzen, und niemand hat mich aufgehalten.«
Der Feldwebel sagte auf Deutsch: »Wir sollen sie draußen halten, Unteroffizier, nicht hier drin festhalten.« Er lachte und winkte die beiden Frauen durch.
Dieter Franck fesselte seine Gefangene an einen Stuhl und schickte den Koch zurück, der sie bis hierher eskortiert hatte. Nachdenklich betrachtete er die Frau und fragte
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