Die Leopardin
in andere Leute hineinversetzen«, sagte Flick nachdenklich. »Es ist Ihnen gelungen, Miss Lindleigh auf unsere Seite zu bringen. Ich hätte sie zu unserer Feindin gemacht.«
»Dazu bestand keine Veranlassung.«
»Genau. Und die Tigerin Ruby haben Sie in eine Miezekatze verwandelt.« »Wer möchte schon bei einer solchen Frau in Ungnade fallen? Ich nicht!«
Flick lachte. »Und dann haben Sie mir etwas über mich erzählt, dessen ich mir selbst gar nicht bewusst war.«
Es freute Paul, dass es ihm gelungen war, sie zu beeindrucken. Aber er beschäftigte sich bereits mit dem nächsten Problem. »Um Mitternacht sollten wir das halbe Team in unserem Ausbildungszentrum in Hampshire haben.«
»Wir nennen es das Mädchenpensionat«, sagte Flick. »Ja, richtig: Diana Colefield, Maude Valentine und Ruby Rowland.«
Paul nickte grimmig. »Eine undisziplinierte Aristokratin, eine niedliche Kokotte, die Fantasie und Wirklichkeit nicht auseinander halten kann, und eine mörderische Zigeunerin mit einer Neigung zum Jähzorn.« Wieder musste er daran denken, dass Flick von der Gestapo gehenkt werden könnte, und auf einmal bereitete ihm die Qualität der rekrutierten Mitkämpferinnen genauso viel Kopfzerbrechen wie Percy Thwaite.
»Bettler können nicht wählerisch sein«, sagte Flick fröhlich. Ihre Missstimmung war verflogen.
»Aber wir haben noch immer keine Sprengstoffexpertin und keine Fernmeldetechnikerin.«
Flick warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Es ist ja gerade erst vier. Vielleicht hat die Royal Air Force Denise Bouverie inzwischen schon beigebracht, wie man eine Fernmeldezentrale in die Luft jagt.«
Paul Chancellor grinste. Flicks Optimismus war unwiderstehlich.
Sie erreichten die U-Bahn-Station und erwischten auch gleich einen Zug. In Hörweite der anderen Passagiere konnten sie über den bevorstehenden Einsatz nicht sprechen.
»Ich habe heute Morgen einiges über Percy Thwaite erfahren«, sagte Paul. »Wir sind durch das Stadtviertel gefahren, in dem er aufgewachsen ist.« »Er hat sich die Umgangsformen und sogar den Akzent der britischen Oberklasse angeeignet, aber lassen Sie sich davon nicht ins Bockshorn jagen. Unter dieser alten Tweedjacke schlägt das Herz eines echten Straßenkämpfers.«
»Er erzählte mir, dass man ihn in der Schule verprügelt hat, wenn er Unterklassen-Slang sprach.«
»Er war ein Stipendiumsjunge. Die haben’s in britischen Schulen, die sich für was Besseres halten, schon immer schwer gehabt. Ich weiß das aus eigener Erfahrung, denn ich war ein Stipendiumsmädchen.«
»Mussten Sie auch Ihre Sprache ändern?«
»Nein, ich bin im Hause eines Earls aufgewachsen und hab daher von Anfang an so geredet.«
Paul Chancellor glaubte jetzt zu verstehen, warum Flick und Percy Thwaite so gut miteinander auskamen: Sie stammten beide aus der Unterschicht und waren gesellschaftliche Aufsteiger. Für die Briten waren Klassenvorurteile, anders als für Amerikaner, nichts, worüber man sich aufregte. Trotzdem reagierten sie geschockt, wenn Südstaatler ihnen weismachen wollten, dass Neger minderwertige Menschen seien. »Ich glaube, dass Percy Sie sehr gern hat«, sagte er.
»Ich liebe ihn wie einen Vater.«
Das klingt echt, dachte Paul. Zugleich war ihm klar, dass sie sich mit dieser Antwort jede weitere Spekulation über ihre Beziehung zu Percy verbat.
Flick und Percy Thwaite hatten vereinbart, sich im Orchard Court wieder zu treffen. Als sie mit Paul Chancellor dort eintraf, stand ein Wagen vor dem Gebäude. Paul erkannte den Fahrer: Er gehörte zu Montys Stab. »Sir«, sagte der Mann. »Hier ist jemand, der Sie sprechen möchte.«
Die Tür zum Fond öffnete sich, und eine hübsche junge Frau im Uniformkostüm stieg heraus.
»Hallo, Paul!«
Seine erste Verblüffung wandelte sich in strahlende Freude: »Mich laust der Affe!« Sie fiel ihm um den Hals, und er drückte sie an sich. »Caroline! Was machst du denn in London?«
»Weiß ich selber nicht. Ich hatte ein paar Stunden frei und hab Montys Büro überredet, mir einen Wagen zur Verfügung zu stellen. Ich wollte dich einfach sehen. Lädst du mich zu einem Drink ein?«
»Ich habe keine Sekunde Zeit«, erwiderte er, »nicht einmal für dich. Aber du kannst mich nach Whitehall fahren. Ich muss einen Staatsanwalt auftreiben.«
»Okay, ich bring dich hin, und unterwegs erzählst du mir, was es bei dir Neues gibt.«
»Und umgekehrt du mir das Gleiche«, sagte er. »Gehen wir.«
Flick drehte sich an der Haustür noch einmal um
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