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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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durchaus vernünftig, aber lassen Sie sich dadurch nicht täuschen. Sie ist sehr leicht reizbar und verliert die Beherrschung, ehe Sie noch ›Piep‹ gesagt haben.«
    »Und das kann dann tödlich enden«, ergänzte Paul.
    »Sie haben es erfasst.«
    »Wir haben nicht viel Zeit«, sagte Flick ungeduldig. »Ich würde sie jetzt gerne sehen.«
    ». sofern es Ihnen recht ist, Miss Lindleigh«, fügte Paul hastig hinzu.
    »Sehr wohl.« Die Stellvertretende Gefängnisdirektorin führte die beiden hinaus. Die harten Böden und nackten Mauern erzeugten einen Hall wie in einem Dom, dazu kam die ständige Geräuschkulisse aus fernen Rufen, zuschlagenden Türen und dem Klirren von Stiefelabsätzen auf eisernen Laufstegen. Durch enge Korridore und über steile Treppen gelangten sie in einen Verhörraum.
    Ruby Rowland wartete bereits auf sie. Sie hatte nussbraune Haut, glattes dunkles Haar und wild glühende schwarze Augen. Dennoch war sie nicht das, was man sich unter einer typischen Zigeunerschönheit vorstellte: Ihre Hakennase und das aufwärts gekrümmte Kinn verliehen ihr eher ein gnomenhaftes Aussehen.
    Miss Lindleigh ließ sie allein; im Zimmer nebenan saß allerdings ein Wärter, der sie durch eine verglaste Tür beobachtete. Flick, Paul und die Gefangene setzten sich an einen schäbigen Tisch, auf dem ein verdreckter Aschenbecher stand. Chancellor hatte ein Päckchen Lucky Strikes mitgebracht. Er legte es auf den Tisch und sagte auf Französisch: »Bedienen Sie sich.« Ruby nahm sich zwei Zigaretten heraus und steckte sich die eine zwischen die Lippen und die andere hinters Ohr.
    Paul Chancellor stellte ein paar Routinefragen, um das Eis zu brechen. Ruby Rowland antwortete klar und höflich, wenngleich mit einem starken Akzent. »Meine Eltern gehören zum fahrenden Volk«, sagte sie. »Eigentlich heiß ich Romain. Als ich ‘n Kind war, zogen wir von Jahrmarkt zu Jahrmarkt durch Frankreich. Mein Vater hatte einen Schießstand, und meine Mutter verkaufte heiße Pfannkuchen mit Schokoladensoße.«
    »Wie kamen Sie dann nach England?«
    »Mit vierzehn hab ich mich in einen englischen Matrosen verliebt, den ich in Calais kennen gelernt hatte. Er hieß Freddy. Freddy Rowland. Wir haben geheiratet – ich hab natürlich nicht mein richtiges Alter angegeben – und dann nach London rüber gemacht. Vor zwei Jahren ist er gestorben. Sein Schiff wurde im Atlantik von einem U- Boot versenkt.« Sie schüttelte sich. »Ein kaltes Grab. Der arme Freddy!«
    Flick interessierte sich nicht für die Familiengeschichte. »Erzählen Sie uns, warum Sie hier sind.«
    »Ich hab mir ‘ne kleine Pfanne organisiert und auf der Straße Pfannkuchen verkauft. Aber die Polizei hat mich einfach nicht in Ruhe gelassen. Eines Abends – ich hatte ein bisschen Kognak getrunken, eine Schwäche von mir, ich geb’s ja zu –, eines Abends kam es dann zu ‘nem Krach.« Sie verfiel in ein breites Cockney. »Der Bulle sagte zu mir, ich soll mich verpissen, und da hab ich ihm die Meinung gegeigt. Und wie er mir geschubst hat, hab ich ihm eene verpasst. Und da lag er dann uff m Mutterboden. «
    Paul Chancellor betrachtete sie nicht ohne ein gewisses Vergnügen. Nicht mehr als durchschnittsgroß und drahtig, hatte sie dennoch große Hände und muskulöse Beine. Dass sie imstande war, einen Londoner Polizisten niederzuschlagen, konnte er sich ohne weiteres vorstellen.
    »Und was geschah dann?«, wollte Flick wissen. »Zwei Kollegen von dem Bullen kamen plötzlich um die Ecke gefegt, und wegen dem Schnaps war ich nicht so behände wie sonst. Also ha’m sie mir erwischt, sind auf mir rumgetrampelt und ha’m mir einjebuchtet«. Sie sah an Paul Chancellors Stirnrunzeln, dass er sie nicht verstanden hatte, und fügte hinzu: »Das heißt, erst mal mit auf die Wache genommen. Und da hab ich dann Glück gehabt: Der erste Bulle nämlich, den wo ich, na Sie wissen schon, dem war das furzpeinlich, dass ‘n Mädel ihn geplättet hatte. Also hat er mir nich’ angezeigt wegen Tätlichkeit gegen die Staatsgewalt, sondern nur wegen Volltrunkenheit und schlechtem Benehmen inner Öffentlichkeit und ich hab nur vierzehn Tage gekriegt.«
    »Und in der Zeit kam es dann wieder zu einer Schlägerei?«
    Ruby sah Flick kritisch an. »Ich weiß nich’, ob ich solchen Leuten wie euch erklären kann, wie das hier drinnen aussieht. Die Mädels hier drin sind zur Hälfte durchgeknallt, und jede is’ bewaffnet. Du kannst dir ‘ne Löffelkante zu ‘ner Klinge zurechtfeilen oder dir

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