Die Leopardin
Einsatz braucht. Und was is’ an mich sonst schon Besonderes? Ich bin zwar janz schön taff, aber da gibt’s doch sicher Hunderte von taffen Männern, die perfekt Französisch sprechen und ganz kiebig auf so ‘n paar Undercover-Heldentaten sind. Es gibt nur einen Grund dafür, dass ihr ausgerechnet auf mir kommt, und das is’ der, dass ihr Weiber braucht. Vielleicht, weil die Gestapo Frauen nich’ so leicht in die Mangel nimmt – stimmt’s?«
»Kann ich Ihnen nicht sagen«, antwortete Flick.
»Na gut. Also, wenn ihr mich wollt, könnt ihr mit mir rechnen. Krieg ich noch so ‘n Glimmstängel?«
»Aber selbstverständlich doch«, sagte Paul.
»Ihnen ist klar, dass es sich um einen gefährlichen Einsatz handelt?«, fragte Flick.
»Na und ob«, erwiderte Ruby und zündete sich eine Lucky Strike an. »Aber so gefährlich wie ‘s Leben in diesem beschissenen Knast auch wieder nich’.«
Nach dem Gespräch mit Ruby begaben sich Paul und Flick wieder ins Büro der Stellvertretenden Gefängnisleiterin. »Ich brauche Ihre Hilfe, Miss Lindleigh«, begann Chancellor, erneut ganz Charmeur und Schmeichler. »Bitte sagen Sie mir, was Sie benötigen, damit Sie sich in der Lage sehen, Ruby Rowland zu entlassen.« »Entlassen? Aber das ist doch eine Mörderin! Warum sollte sie entlassen werden?«
»Das kann ich Ihnen bedauerlicherweise nicht sagen. Ich kann Ihnen jedoch eines versichern: Wenn Sie wüssten, wohin Ruby Rowland jetzt kommt und was ihr bevorsteht, würden Sie nicht sagen, dass sie glücklich davongekommen ist – ganz im Gegenteil.«
»Aha«, sagte Miss Lindleigh, noch nicht sehr überzeugt.
»Ich muss sie heute Abend hier raushaben«, fuhr Paul fort, »aber ich möchte nicht, dass Sie, Miss Lindleigh, dadurch Schwierigkeiten bekommen. Deswegen muss ich genau wissen, welche rechtlichen Schritte für eine solche Entlassung erforderlich sind.« In Wirklichkeit ging es ihm nur darum, dass sie keine Ausrede fand, sich quer zu stellen.
»Ich kann sie unter gar keinen Umständen entlassen«, sagte Miss Lindleigh. »Sie befindet sich auf richterliche Anordnung in Haft. Also kann nur ein Gerichtsbeschluss diesen Haftbefehl aufheben.«
Paul Chancellor blieb geduldig. »Und wie geht so etwas vor sich?«
»Sie müsste unter polizeilicher Bewachung einem Richter vorgeführt werden. Der Staatsanwalt oder sein Vertreter müssten dem Richter versichern, dass alle Anklagepunkte gegen die Rowland zurückgenommen worden sind. Dies wiederum würde den Richter verpflichten, sie freizulassen.«
Paul runzelte die Stirn und überlegte, mit welchen Fußangeln bei einem solchen Verfahren zu rechnen war. »Dann müsste sie vor der Anhörung ihre Rekrutierungspapiere unterschreiben, damit sie bei ihrer Freilassung der militärischen Disziplinarordnung unterliegt. Sonst könnte sie sich ganz einfach davonmachen. «
Miss Lindleigh konnte es noch immer kaum glauben. »Mit welcher Begründung sollten sie denn die Anklage fallen lassen?«
»Ist dieser Staatsanwalt Beamter?«
»Ja.« »Dann ist das kein Problem.« Paul Chancellor erhob sich. »Ich komme heute Abend zurück und bringe einen Richter, einen Vertreter der Staatsanwaltschaft und einen Armeefahrer mit, der Ruby Rowland dann nach. zu ihrem nächsten Bestimmungsort bringen wird. Sehen Sie da noch irgendwelche Schwierigkeiten?«
Miss Lindleigh schüttelte den Kopf. »Ich halte mich an meine Befehle, Major, genau wie Sie sich an die Ihren.«
»Sehr gut.«
Sie verabschiedeten sich und gingen. Draußen im Freien blieb Paul stehen und warf einen Blick zurück. »Ich war noch nie in einem Gefängnis«, sagte er. »Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber mit einem Märchenschloss hatte es nichts zu tun.«
Es war eine belanglose Bemerkung über das Gebäude, doch Flick verzog verärgert das Gesicht. »Hier sind schon eine ganze Reihe Frauen aufgehängt worden«, sagte sie. »Das war alles andere als märchenhaft.«
Warum reagiert sie so gereizt?, fragte sich Paul. »Sie identifizieren sich offenbar mit den Gefangenen«, sagte er. Dann fiel ihm plötzlich ein, warum. »Und zwar deshalb, weil Sie selber hinter Gittern landen könnten. In Frankreich.«
Verblüfft sah sie ihn an und sagte: »Ich glaube, Sie haben Recht. Mir war nicht klar, warum ich diesen Ort so hasse – aber das ist bestimmt der Grund.«
Möglich, dass sie auch am Galgen endet, dachte er, behielt diesen Gedanken aber für sich.
Sie gingen zu Fuß zur nächsten U-Bahn-Station. »Sie können sich gut
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