Die Lerche fliegt im Morgengrauen
Wohnung an der Ecke im ersten Stock hatte nehmen können, die beste und gesuchte ste Lage im ganzen Block. Ein Gerüst an der Ecke des Gebäu des reichte bis zum vierten Stock hinauf, wo einige Maurerarbeiten ausgeführt wurden.
Er war gerade im Begriff, die Stufen zur reichverzierten Ein gangstür hinaufzusteigen, als eine Stimme ihn anrief.
»Martin?«
Er schaute hoch und erkannte Anne-Marie Audin, die sich über das Geländer des Balkons beugte. »Wo zum Teufel kommst du denn so plötzlich her?« fragte er verblüfft.
»Aus Kuba. Ich bin gerade gelandet.«
Er nahm immer zwei Stufen auf einmal, und sie hatte die Tür längst aufgerissen, als er oben ankam. Er umarmte sie und hob sie mit seinen kräftigen Armen hoch und trug sie zurück in den Flur. »Wie wunderschön, dich zu sehen. Warum Kuba?«
Sie gab ihm einen Kuß und half ihm, seinen Trenchcoat aus
zuziehen. »Ach, ich hatte einen ziemlich wilden Auftrag von Time. Komm in die Küche. Ich brühe dir deinen Tee auf.«
Der Tee war seit Jahren ein ständiger Witz zwischen ihnen. Es überraschte bei einem Amerikaner, aber er mochte keinen Kaffee. Er zündete eine Zigarette an und ließ sich am Tisch nieder und sah ihr zu, wie sie in der Küche umherging. Ihr kurzes Haar war genauso dunkel wie seins. Sie war eine außerordentlich elegante Frau, die ebenso alt war wie er, aber mindestens zwölf Jahre jünger aussah.
»Du siehst prächtig aus«, sagte er zu ihr, als sie den Tee brachte. Er kostete und nickte anerkennend. »Das schmeckt köstlich. Genauso, wie du es damals, 1971, in South Armagh gelernt hast, als Liam Devlin und ich dir gezeigt haben, wie die IRA arbeitet.«
»Wie geht es dem alten Gauner?«
»Er wohnt immer noch in Kilrea bei Dublin. Hält ab und zu Vorlesungen am Trinity College. Behauptet, schon siebzig zu sein, aber das ist eine glatte Lüge.«
»Der wird doch niemals alt, dieser Bursche.«
»Du siehst wirklich prächtig aus«, sagte Brosnan. »Warum haben wir nicht geheiratet?«
Es war eine rituelle Frage, die er seit Jahren immer wieder stellte, mittlerweile ein vertrauter Scherz. Es gab mal eine Zeit, da hatten sie einander geliebt, aber seit einigen Jahren waren sie nur noch Freunde. Nicht daß dieses Verhältnis mit anderen Freundschaften zu vergleichen gewesen wäre. Er wäre für sie gestorben, was auch damals in dem Sumpfgebiet in Vietnam, als sie sich zum ersten Mal sahen, beinahe passiert wäre.
»Nachdem wir das endlich hinter uns haben, erzähl mir von deinem neuen Buch, ja?« bat sie ihn.
»Eine Philosophie des Terrorismus«, erwiderte er. »Sehr langweilig. Wird kaum jemand kaufen wollen.«
»Ein Jammer«, sagte sie, »wo es doch von einem Experten auf diesem Gebiet stammt.«
»Meine Gründe, und was ich weiß, ändern daran überhaupt nichts«, sagte er.
»Du Zyniker. Komm, laß uns was Richtiges trinken.« Sie öffnete den Kühlschrank und holte eine Flasche Krug heraus.
»Grande Cuvee?«
»Was sonst?«
Sie gingen in den wundervollen, langgestreckten Wohnraum. Über einem Marmorkamin hing ein reichverzierter goldener Spiegel, überall standen Topfpflanzen, ein Flügel, gemütliche, unordentlich wirkende Sofas und eine Menge Bücher. Sie hatte die gläsernen Balkontüren offengelassen. Brosnan ging durch den Raum, um sie zu schließen, während sie die Champagner flasche auf der Anrichte öffnete und zwei Gläser herausnahm. Im gleichen Moment klingelte es draußen.
Als Brosnan die Tür öffnete, sah er Max Hernu und Jules Savary und hinter ihnen die Brüder Jobert.
»Professor Brosnan?« fragte Hernu. »Ich bin Colonel Max Hernu.«
»Ich weiß, wer Sie sind«, sagte Brosnan. »Action Service, nicht wahr? Was hat das zu bedeuten? Holt mich meine Ver gangenheit ein?«
»Nicht ganz, aber wir brauchen Ihre Hilfe. Dies ist Inspektor Savary, und diese beiden Herren sind Gaston und Pierre Jo bert.«
»Kommen Sie lieber herein«, sagte Brosnan, dessen Interesse gegen seinen Willen geweckt war.
Die Brüder Jobert blieben auf Hernus Anweisung in der Die le, als er und Savary Brosnan in den Wohnraum folgten. AnneMarie drehte sich um, runzelte leicht die Stirn, und Brosnan machte sie mit seinen Besuchern bekannt.
»Es ist mir eine große Ehre.« Hernu begrüßte sie mit einem Handkuß. »Ich bin schon seit langem Ihr Bewunderer.«
»Martin?« Sie machte jetzt ein besorgtes Gesicht. »Du läßt dich doch nicht in etwas hineinziehen?«
»Natürlich nicht«, beruhigte er sie. »Also, was kann ich
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