Die Lerche fliegt im Morgengrauen
Pilotenschein?«
»Das leite ich gleich in die Wege.«
»In vierundzwanzig Stunden?«
»In Ordnung.«
Sie holte einen Mantel und einen Schal, ging mit ihm nach unten und verließ gemeinsam mit ihm das Haus. Der Asphalt war stellenweise mit einer dünnen Eisschicht bedeckt, und sie trug seinen Aktenkoffer und hielt sich an seinem Arm fest, bis sie das Hotel erreichten.
»Wir sehen uns in einer Stunde«, sagte sie und ging weiter.
Es war eines dieser alten Häuser, die in der viktorianischen Zeit über einen blühenden Pub- und Hotelbetrieb verfügten. Die derzeitigen Eigentümer hatten sich alle Mühe damit gege ben, aber das war zu wenig. Der Speisesaal links vom Foyer war wenig einladend, und nicht mehr als ein halbes Dutzend Leute saß dort und speiste.
Der Angestellte am Empfang war ein alter Mann mit einem totenkopfähnlichen Gesicht, er trug eine verblichene braune Livree. Er bewegte sich unendlich langsam, schrieb Dillon ins Gästebuch ein und reichte ihm seinen Schlüssel. Offensichtlich erwartete man von den Gästen, daß sie ihre Koffer selbst trugen.
Das Zimmer war genauso, wie er es erwartet hatte. Zwei Betten, billige Tagesdecken, eine Dusche, ein Fernseher mit Münzautomat und ein Wasserkessel, daneben ein kleiner Korb mit Portionsbeuteln Kaffee, Teebeuteln und Sahne in Pulver form. Dennoch, lange würde er nicht hierbleiben, und er öffnete den Koffer und fing an auszupacken.
Unter Jack Harveys Beteiligungen befand sich auch ein Bestat tungsunternehmen in Whitechapel. Es war ein ziemlich großer Betrieb, und er lief recht gut, denn, wie er immer gerne scherz te, die Toten sterben nie aus. Es war ein imposantes dreistöcki ges viktorianisches Gebäude, das er renoviert hatte. Myra hatte sich das oberste Stockwerk als Penthouse eingerichtet und überwachte den Geschäftsgang. Harvey besaß im zweiten Stock ein Büro.
Harvey wies seinen Fahrer an zu warten, stieg die Eingangs treppe hinauf und klingelte. Der Nachtportier machte ihm auf.
»Ist meine Nichte da?« verlangte Harvey Auskunft.
»Ich glaube schon, Mr. Harvey.«
Harvey ging durch den Laden mit den ausgestellten Särgen und durch den Gang mit kleinen Totenkapellen rechts und links, wo die Angehörigen von ihren Verblichenen Abschied nehmen konnten. Er stieg zwei Treppen hinauf und betätigte Myras Türklingel.
Sie war bereits auf ihn vorbereitet, nachdem der Portier sie mit einem diskreten Zeichen gewarnt hatte, ließ ihn einen kurzen Moment vor der Tür warten, dann öffnete sie. »Onkel Jack.«
Er schob sich an ihr vorbei. Sie trug ein Minikleid mit golde nen Pailletten, schwarze Strümpfe und Schuhe. »Willst du ausgehen oder was?« wollte er wissen.
»Ja, in eine Disco.«
»Nun, vergiß das mal für einen Moment. Hast du mit den Buchhaltern gesprochen? Gibt es eine Möglichkeit, wie wir legal an Flood herankommen? Irgendwelche Probleme mit Vermietungen? Irgendwas?«
»Keine Chance«, sagte Myra. »Wir haben alles sorgfältig durchgekämmt. Es gibt nichts.«
»Na schön, dann müssen wir es eben mit der harten Methode versuchen.«
»Die hat gestern abend aber nicht gerade funktioniert, oder?«
»Ich habe Idioten benutzt, deshalb. Eine Bande junger Nichtsnutze, die zu blöd sind, um einem die Tageszeit zu sagen.«
»Und was hast du vor?«
»Ich überlege mir etwas.« Während er sich zur Tür wandte, hörte er eine Bewegung im Schlafzimmer. »Hallo, wer ist denn da?« Er stieß die Tür auf und sah Billy Watson, der verlegen dastand und aussah wie ein in die Enge getriebenes Wild. »Mein Gott!« sagte Harvey zu Myra. »Du denkst auch immer nur an das eine.«
»Zumindest treiben wir es auf die richtige Art und Weise«, informierte sie ihn.
»Fick dich doch selbst.«
»Nein, das tut er schon.«
Harvey stürmte nach unten. Billy sagte: »Du gibst einen Scheißdreck darum, was andere sagen, nicht wahr?«
»Billy-Schatz, dies ist das Haus der Toten«, sagte sie und griff nach ihrem Pelzmantel und ihrer Handtasche. »Sie liegen unten in ihren Särgen, und wir sind lebendig. Ganz einfach, also sollte man das Beste daraus machen. Und jetzt laß uns endlich gehen.«
Dillon saß in einer kleinen Nische in der Ecke bei Luigi’s und trank den einzigen Champagner, der auf Lager war, einen ganz passablen Bollinger Grande Cuvee, als Tania hereinkam. Der alte Luigi begrüßte sie persönlich und als besonders geschätz ten Gast, und sie setzte sich.
»Champagner?« fragte Dillon.
»Warum nicht?« Sie schaute
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