Die Lerche fliegt im Morgengrauen
und klappte ihn zu. »Dreißig Pfund bei Barzahlung, und vergessen Sie nicht – bei mir kriegen Sie alles, was Sie brauchen.«
»Das wird nicht nötig sein«, sagte Dillon und verließ pfei fend den Laden.
Im Dorf Vercors schneite es, als die Prozession vom Schloß herunterkam. Trotz des schlechten Wetters säumten Dorfbe wohner die Straße, Männer hatten ihre Mützen abgenommen, als Anne-Marie Audin zur ewigen Ruhe geleitet wurde. Hinter dem Leichenwagen fuhren nur drei Automobile her, der alte Pierre Audin und sein Sekretär im ersten, einige Hausangestell te im zweiten. Brosnan und Mary Tanner mit Max Hernu folgten, gingen zwischen den Grabsteinen her und blieben stehen, als der alte Mann aus dem Wagen in den Rollstuhl gehoben wurde. Er wurde hineingeschoben, die anderen Trauernden folgten ihm.
Es war eine sehr alte, sehr typische Dorfkirche mit geweißten Wänden, den Kreuzwegstationen, und sie war kalt, sehr kalt. Tatsächlich hatte Brosnan noch nie eine solche Kälte gespürt, und er saß da, zitterte leicht, bekam kaum mit, was gesagt wurde, erhob sich und kniete sich gehorsam nieder wie alle anderen Anwesenden. Erst als der Gottesdienst zu Ende war und alle aufstanden, als die Sargträger den Sarg durch den Mittelgang trugen, wurde ihm bewußt, daß Mary Tanner seine Hand hielt.
Sie gingen über den Friedhof zur Familiengruft. Sie hatte die Ausmaße einer kleinen Kapelle, war aus grauem Granit und Marmor erbaut und hatte ein steiles gotisches Dach. Der Geistliche hielt inne, um den Totensegen zu sprechen, dann wurde der Sarg hineingetragen. Der Sekretär drehte den Roll stuhl um und schob ihn an ihnen vorbei über den Weg. Vornü bergebeugt saß der alte Mann da und schien die Decke zu betrachten, die seine Knie warmhielt.
»Er tut mir so leid«, sagte Mary.
»Das braucht er nicht, er weiß gar nicht mehr, was um ihn herum vorgeht«, meinte Brosnan zu ihr.
»Dessen kann man sich nicht immer sicher sein.«
Sie ging zum Wagen und legte dem alten Mann eine Hand auf die Schulter, während er reglos in seinem Rollstuhl saß. Dann kam sie zurück.
»Also, meine Freunde, schnellstens zurück nach Paris«, sagte Hernu.
»Und dann nach London«, fügte Brosnan an.
Mary ergriff seinen Arm, während sie zum Wagen gingen. »Morgen, Martin, morgen früh reicht es auch noch, und ein Nein als Antwort akzeptiere ich nicht.«
»Na schön«, seufzte er. »Dann eben morgen.« Und er stieg in den Wagen, nahm auf der Rückbank Platz, lehnte sich nach hinten, fühlte sich plötzlich wie ausgelaugt und schloß die Augen. Mary saß stumm neben ihm, als Hernu losfuhr.
Es war kurz nach sechs, als Tania Nowikowa die Türklingel hörte. Sie ging nach unten und öffnete. Dillon stand vor der Tür, den Koffer in der einen Hand, den Aktenkoffer in der anderen. »Josef läßt Ihnen Grüße ausrichten.«
Sie war verblüfft. Nachdem Makeev mit ihr gesprochen hat te, war sie im KGB-Archiv gewesen und hatte versucht, soviel wie möglich über Dillon in Erfahrung zu bringen, und hatte über seine Akte nur staunen können. Sie hatte eine Art düstere Heldenfigur erwartet. Statt dessen sah sie vor sich einen eher kleinen Mann in einem Trenchcoat, mit getönter Brille und einer Collegekrawatte.
»Sind Sie Sean Dillon?« erkundigte sie sich.
»Der und kein anderer.«
»Kommen Sie lieber rein.«
Frauen hatten für Dillon niemals eine besondere Bedeutung gehabt. Sie waren da, um gelegentlich gewisse Bedürfnisse zu befriedigen, doch er hatte niemals so etwas wie eine emotiona le Bindung zu einer gehabt. Als er Tania Nowikowa die Treppe hinauffolgte, wurde ihm bewußt, daß sie eine sehr gute Figur hatte und daß der schwarze Hosenanzug sie sehr gut kleidete. Ihr Haar war mit einem Samtband im Nacken zusammenge bunden, doch als sie sich zu ihm umwandte und er sie im Licht der Wohnzimmerbeleuchtung genau betrachten konnte, erkann te er, daß sie eher farblos aussah.
»Hatten Sie einen guten Flug?« erkundigte sie sich.
»Es war schon in Ordnung. Ich wurde gestern abend wegen Nebels in Jersey aufgehalten.«
»Möchten Sie etwas trinken?«
»Ein Tee wäre schön.«
Sie öffnete eine Schublade, holte eine Walther-Pistole heraus, dazu zwei Ersatzmagazine und einen Carswell-Schalldämpfer. »Das ist laut Josef Ihre Lieblingswaffe.«
»Sehr richtig.«
»Ich dachte mir außerdem, daß dies hier auch ganz nützlich sein könnte.« Sie reichte ihm ein kleines Bündel. »Es heißt, sie hält einer 45er-Kugel auf
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