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Die Letzte Arche

Die Letzte Arche

Titel: Die Letzte Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
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Kinder. »Die Kleinen passen sich wohl einfach an den Ort an, wo sie aufwachsen. Auf der
Arche Drei hatten wir häufig mit Floßgemeinschaften zu tun. Handelsgeschäfte, du weißt schon. Dabei haben wir Kinder getroffen, die älter waren als Helen und ihr gesamtes Leben auf dem Meer verbracht hatten, die nie trockenes Land sahen … Sie waren alle durchaus zufrieden, oder konnten es sein. Man hält die Umgebung, in die man hineingeboren wird, eben für völlig normal – sie ist die ganze Welt, alles, was man jemals braucht.«
    »Aber sie sind so anders als wir.«
    »So wie wir anders waren als die Generation unserer Eltern. Das ist nun mal der Lauf der Dinge. Vermutlich werden die nächsten Kinder, die Kolonisten auf der Erde II, wieder anders sein.«
    »Falls wir jemals dorthin kommen.«
    »Wie bitte?«
    »Ach, nichts. Hey, da ist Mike.«
    Mike Wetherbee kam von den oberen Decks herunter. Wie immer wirkte er abgespannt; seine Haare wurden grau, und er schien rasch zu altern. Er trug eine Notfalltasche an der Taille und hatte eine kleine Kamera dabei. Er war hier, um Zane bei seiner Teilnahme am Traumzirkel aufzunehmen. Mittlerweile sah man nirgends mehr eine Kamera, außer bei solchen besonderen Anlässen.
    Als Wetherbee seinen Platz neben Holle und Grace einnahm, begannen die Träumer gerade, Theo Morell zuzuhören, der als Erster sprach. »Ich war in so einem Tunnel gefangen. Als säße man hinter einem Ausrüstungs-Rack fest, wisst ihr? Ich war ganz allein, alle anderen waren tot – nein, sie hatten gar nicht erst existiert. Bloß ich war da, ich war eingeschlossen, und ich bekam keine Luft. Dann schlug jemand von außen gegen die Wand, und ich fing an zu rufen und zu schreien, aber ich hörte
bloß das Echo meiner eigenen Stimme. Dann habe ich mich vorwärtsgeschlängelt und so was wie ein Licht gesehen …«
    Die anderen hörten gebannt zu. Das Dutzend Träumer war eine Mischung aus den diversen Fraktionen der Arche, Kandidaten, Eindringlinge und Illegale. Holle bemerkte, dass ein Mädchen sich Notizen auf einem Handheld machte; sie zeichnete die Erzählungen auf. Zane schaukelte lediglich hin und her und stieß sich ein Plastikspielzeug, einen Kinderschraubenzieher, in den Unterarm. Holle fand es paradox, dass ausgerechnet Theo Morell als Erster das Wort ergriffen hatte. Er war nach wie vor der König des HeadSpace, aber seit Wilson den Zugang zu den Zellen mit dem schlichten Mittel einer deftigen Benutzungsgebühr eingeschränkt hatte, florierten die billigeren Traumzirkel.
    »Klassischer Archentraum«, sagte Mike Wetherbee leise. »Gefangenschaft, Klaustrophobie, Angst vor dem, was draußen ist, aber auch Sehnsucht nach Freiheit.«
    »Für mich klang es wie eine Erinnerung an seine Geburt«, flüsterte Grace. »Als würde er sich durch einen Geburtskanal arbeiten, eine monströse Vagina.«
    Wetherbee grinste. »O ja, das auch. Bei den Träumen geht’s immer um Sex.«
    »Keine Kinder heute«, murmelte Holle. Für gewöhnlich nahmen auch ein paar Kinder an solchen Sitzungen teil. Die Mitschriften zeigten, dass die Kinder Visionen von der Erde erzählten, die in ihnen emporsprudelten, Fantasien über den Planeten, für den die Evolution sie vorbereitet hatte, den sie nun jedoch niemals zu sehen bekommen würden. Holle fand sie faszinierend, aber auch schrecklich traurig.
    »Nein«, sagte Wetherbee, »aber die Kinder mögen Zane. Man sollte meinen, sie würden Angst vor ihm haben. Sie finden ihn
komisch oder so, die verschiedenen Personen, die aus seinem Mund sprechen. Er ist etwas Ungewöhnliches in einer Umgebung, der es an ungewöhnlichen Dingen fehlt.«
    »Und wie sind seine Träume?«, fragte Grace mit leiser Stimme.
    »Kommt darauf an, welches Alter Ego gerade spricht.« Wetherbee deutete auf hin. »Ich glaube, das ist Zane 1, der Jüngste. Seht euch an, was er mit diesem Plastikschraubenzieher macht. Er tut so, als würde er sich Selbstverletzungen zufügen. Ich habe ihm das Ding gegeben, damit er sich nicht wirklich verletzt. Zumindest kann er damit die Haut nicht durchbohren. Zane 1 hat sehr sexuelle Angstträume. Die Träume von Zane 3 sind am beunruhigendsten, ausgeklügelte Fantasien über Flüsse, Schlangen und Jäger, in denen nichts real ist, sondern einfach dahinschmilzt, wenn man den Blick darauf richtet.«
    Grace schüttelte den Kopf. »Denkst du, dass du inzwischen alle Alter Egos erfasst hast?«
    Wetherbee schaute gequält drein. »Hoffentlich, nach drei Jahren. Ich glaube noch immer, dass

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