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Die Letzte Arche

Die Letzte Arche

Titel: Die Letzte Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihr Kopf war von Körpern und Rücken umschlossen. Es war eine Menge in drei Dimensionen, Leute, die in allen Richtungen aneinanderstießen.
    Und viele dieser vierzig, zehn bis fünfzehn, waren schwer verletzt. Manche hatten stark angeschwollene Gliedmaßen, Hände, Füße, Gesichter. Ein kleiner Junge schrie immer wieder laut, er sei blind. Eine Frau wurde von heftigen, krampfhaften Hustenanfällen geschüttelt, bei denen sie Blut spuckte. Offenbar waren ihre Lungen zerrissen. Die Leute um sie herum versuchten, sie durch die Menge zu einer Wand zu schieben, damit sie
die anderen nicht mehr mit ihrem Blut, Rotz und Schleim bespritzte.
    Ein Bildschirm an der Steuerkonsole des Shuttles, auf dem man die Aufnahme einer Kamera in der Luftschleuse sah, zeigte Venus, eine außerirdische Gestalt in einem leuchtend weißen Raumanzug, im Innern des Moduls, umgeben von Kabinen, Verpflegungspaketen, Getränkekartons und schwebendem Spielzeug. Sie arbeitete daran, Hawila wieder bewohnbar zu machen. Zum Glück war Venus außer Gefahr gewesen. Holle machte sich innerlich eine Notiz. Von nun an würde immer jemand einen Druckanzug tragen müssen, nur ein zuschnappendes Visier von einem unabhängigen Lebenserhaltungssystem entfernt.
    Bis Holle hier herauskam, konnte sie nichts anderes tun, als durchzuhalten. Sie versuchte, das Weinen und die rasselnden Atemzüge auszublenden.
    »Wenn ich das Arschloch in die Finger kriege, das es für eine gute Idee hielt, eine verdammte Rumpfplatte abzumontieren, reiße ich ihm mit bloßen Händen alles raus, was von seinen Lungen noch übrig ist …«
    »Ist schon gut. Er ist ohnmächtig geworden, mehr nicht. Ich hab’s gar nicht gemerkt, in dieser Menge kann er ja nicht umfallen. Er hat einfach das Bewusstsein verloren. Sobald wir hier raus sind, wird’s ihm wieder besser gehen.«
    »Nein, du irrst dich. Der Mann ist tot. Jay ist tot! Schaut ihn euch an!«
    »Ich sehe nichts! Dad, warum kann ich nichts sehen?«
     
    Jemand hämmerte gegen die Luke der Raumfähre. Holle sah Venus durch die dicken Fenster; in ihrem steifen Druckanzug zerrte sie unbeholfen am Griff.

    Die Luke ging auf. Holle merkte, wie es in ihren Ohren knackte. Sie verspürte eine jähe Furcht vor weiterem Luftverlust, aber der Druckabfall war nur gering. Die Leute in unmittelbarer Nähe der Luke strömten sofort mit erleichtertem Aufseufzen hinaus. Draußen drehten sie sich um und halfen Venus, die nach ihnen Kommenden herauszuziehen. Bald driftete eine Wolke von Körpern in Zweier- oder Dreiergruppen von der Luke weg.
    Sobald Holle sich bewegen konnte, bahnte sie sich ihren Weg an die Spitze der Shuttle-Gruppe. Es war eine ungeheure Erleichterung, den vergleichsweise offenen Raum des Moduls zu erreichen, die Arme und Beine auszustrecken, die saubere, wenn auch ein wenig metallisch riechende Luft einzuatmen, die direkt aus den Notreservetanks kam.
    Sie schaute sich um. Venus hatte sich zu der Rutschstange zurückgezogen, sich dort angeleint und legte gerade ihren Druckanzug ab. Helen Gray war an der Schleuse der Raumfähre und beaufsichtigte deren Räumung. Holle schaute durchs ganze Modul und sah an der Schleuse zur Kuppel ebenfalls einen Fächer müder, verletzter Menschen, die dort gerade ins Freie gelangten. Grace Gray überprüfte die Herauskommenden und lenkte die Verletzten sanft in eine andere Richtung.
    Ein Baby schwebte vorbei. Nackt, auf die doppelte Größe aufgebläht, war es offenkundig tot. Holle erkannte es nicht, wusste nicht, ob es Magdas Baby war, das Baby, das sie nicht gerettet hatte. Eine Sekunde lang war sie wie gelähmt; Schuldbewusstsein, Zweifel und eine Art grässlicher Befangenheit legten sich wie eine schwere Last auf sie.
    »Holle.«
    Venus, die nur noch ihren kühlenden Innenanzug trug, beobachtete sie unverwandt. Venus, die sie von Kindesbeinen an kannte, Venus aus der Akademie. Holle stieß sich zu ihr hinüber
und hielt sich an einem Haltegriff fest. »Alles okay mit dir?«
    Venus lachte. »Mit mir? Ja, zum Teufel. Für mich war’s bloß ein weiterer Außenbordeinsatz. Was ist hier drin passiert?«
    »Eine Rebellion der Schiffsgeborenen.«
    »Sie haben den Rumpf geöffnet. Ein Wunder, dass ihr nicht alle umgekommen seid. Was war das, irgendein Selbstmordpakt? «
    »Nein«, sagte Helen Gray. Sie kam von der Shuttle-Schleuse zu ihnen herüber. »Ich glaube, sie wollten sich nach draußen durcharbeiten.«
    »Nach draußen durcharbeiten?«
    »Raus aus der Simulation … All diese Ideen von

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