Die Letzte Arche
Zane.«
»Wir haben dieses Zeug nicht ernst genug genommen«, sagte Holle. »Zane, dieser Spinner. Tja, wir sind deswegen oft genug zu Wilson gegangen, aber er hat nicht auf uns gehört. Das hat ihn das Leben gekostet.«
»Vielleicht auch nicht«, sagte Venus. »Ich habe Shuttle A gesehen. Er hat vom Modul abgelegt. Das war noch vor dem Leck im Rumpf.«
Holle schüttelte den Kopf. »Typisch Wilson. Wahrscheinlich hatte er das schon jahrelang geplant.«
Venus erzählte ihnen von ihrem Sabotageverdacht. »Das Shuttle ist im Eimer. Aber Wilson könnte überlebt haben. Ich habe gesehen, wie er – oder jedenfalls jemand in seinem Druckanzug – ausgestiegen ist. Wenn sein SAFER durchgehalten hat, ist er wahrscheinlich schon wieder bei einer der Luftschleusen.«
Aber Holle hörte nur mit halbem Ohr zu. »Du sagt, das Shuttle sei zerstört worden.« Eine ihrer beiden Raumfähren, einfach weg. Alles wegen Wilson, seiner Inkompetenz und seines feigen Egoismus.
Venus war ernst. »Wir müssen darüber nachdenken, wie wir ohne es auskommen können.«
Die Babyleiche trieb in Augenhöhe an Holle vorüber, bewegt von vereinzelten Brisen in der neuen Luft. Der Verlust einer Raumfähre spielte nicht die geringste Rolle, wenn sie den heutigen Tag nicht überstanden.
Helen berührte sie am Arm. »Holle? Ich glaube, meine Mutter ist gerade ein bisschen überfordert. Ich helfe ihr.«
Holle nickte. »Ich komme mit. Venus, kannst du dich um den Rest kümmern?«
Eine Sekunde lang hielt Venus ihren Blick fest, und Holle sah die Herausforderung in ihren Augen. Plötzlich war dies ein entscheidender Moment, der Beginn eines neuen Kapitels. Wer war Holle, dass sie hier die Befehle erteilte? Aber dann machte Venus einen unmerklichen Rückzieher. »Klar. Um welchen ›Rest‹?«
»Stell einen Arbeitstrupp zusammen. Wir müssen sicherstellen, dass die Basissysteme funktionieren. Vergewissere dich, dass die Rumpfwand in der Umgebung der geflickten Stelle unversehrt ist. Die explosive Dekompression könnte woanders Schäden angerichtet haben. Und überprüf die Lebenserhaltungssysteme. Die Hydrokultur-Beete …«
»Die müssten okay sein«, warf Helen ein. »Die Pflanzen können eine gute Stunde Vakuum aushalten. Der Druckverlust hat ja nur ein paar Minuten gedauert.«
»Gut. Überprüf sie trotzdem. Was noch?«
»Wie steht’s mit unserer Position innerhalb der Warp-Blase?«, fragte Venus. »An der Seite des Moduls hat gerade ein Lufttriebwerk gezündet. Die Navigationssysteme müssten es kompensiert haben, aber ich weiß nicht, ob die Korrekturtriebwerke angesprungen sind und uns zurückgeschoben haben.«
»Wenn ja, hab ich’s nicht gehört. Überprüf das. Wir wollen nicht in die Warp-Wand treiben.«
»Wir sollten jemanden haben, der Wilson abfängt, falls er doch zurückkommt.«
Holle zuckte die Achseln. »Fesselt ihn an einen Pfosten. Wir kümmern uns später um ihn. Venus, wenn dir noch was einfällt, erledige es einfach.«
Venus deutete auf ihren Innenanzug. »Ich hole mir nur rasch einen Overall und mache mich an die Arbeit.«
»Okay. Ach, und Venus …« Sie driftete näher an sie heran und sagte leise: »Stell einen Trupp zusammen und durchkämme das Modul. Sammelt die Toten ein. Diese schwebenden Leichen. Bringt sie vorläufig irgendwo außer Sichtweite unter, vielleicht oben auf Wilsons Brücke. Und registriert die Überlebenden. Komm, Helen. Helfen wir deiner Mutter.«
88
In der Kuppel war das Gedränge sogar noch schlimmer gewesen als im Shuttle B. Viele derjenigen, die herauskamen, hielten ihre Rippen umklammert und rangen nach Atem, und ein Paar trug einen schlaffen kleinen Jungen, trommelte verzweifelt auf seine Brust ein und machte Mund-zu-Mund-Beatmung.
Unter diesen in der Luft treibenden Überlebenden war auch Zane. Er wirkte eingeschüchtert und ängstlich. Holle verspürte eine Aufwallung von wildem Zorn. Sie fragte sich, welches seiner Alter Egos herausgekommen war, um ihm zu helfen, mit dieser Krise fertigzuwerden, zu deren Ausbruch er so viel beigetragen hatte. Und da war Jeb Holden, einer von Wilsons engsten Bundesgenossen, ein brutaler Kerl, jetzt nackt und blutverschmiert. Er entfernte sich von den anderen, offenbar auf der Suche nach einer Decke, nach irgendetwas, womit er seinen Körper bedecken konnte.
Grace, die sich an einem Handlauf festhielt, versuchte, die allem Anschein nach Unverletzten dazu zu bewegen, ihr zu helfen, während sie die anderen nach ihren Verletzungen in grobe Gruppen
Weitere Kostenlose Bücher