Die Letzte Arche
Wohnblocks in der Stadt in Trümmer zu legen, den Teilchenbeschleuniger zu zerstören, ein Dutzend Arbeiter zu töten und ein Dutzend weitere zu verletzen. Die Explosion war der Blitz gewesen, den Zane gesehen hatte; er hatte sie sogar gehört, das Geräusch, das dem Lichtblitz nach langen Sekunden gefolgt war.
Die Rettungsmannschaften brauchten Minuten, um Jerzy Glemp zu finden, der zu diesem Zeitpunkt in der Anlage gearbeitet
hatte. Zane, der mit Harry im Cultural Center saß und die Operation auf Computerbildschirmen verfolgte – weit weg, zu weit weg –, sah zu, wie die Sanitäter den zerschmetterten Körper seines Vaters ins Krankenhaus brachten. Dann begann die lange Zeit des Wartens auf Nachrichten über seinen Gesundheitszustand.
Nach zwei Stunden war Zane am Ende seiner Kräfte, und mit seiner Selbstbeherrschung war es ebenfalls vorbei. Harry legte ihm erneut den Arm um die Schultern. Zane sträubte sich, doch Harry war stark, und es war ein Trost, das Gesicht an die Wärme von Harrys schwarzen Pullover zu legen.
Dann ließ er sich von Harry zu der von den Schülern provisorisch eingerichteten Krankenstube führen, einem kleinen Zweibettzimmer in einem anderen Büro, wo es mehr Privatsphäre gab als in den großen Gemeinschaftsschlafsälen – einem Ort, wo Zane weinen, schlafen und allein sein konnte, nur in dieser Nacht. Harry bot ihm etwas zu essen und warme Getränke an. Er aß nur wenig. Als er die Schuhe auszog und sich auf das Klappbett legte, merkte er, wie seine Augen sich schlossen und seine Gedanken durcheinandergerieten. Es war erst ungefähr sieben Uhr abends. Er verstand nicht, wieso er müde war, und dennoch war er es. Er rollte sich zusammen und zog die Beine an die Brust. Er bekam noch mit, dass Harry eine dünne Decke über ihn breitete, die Jalousie herunterließ und das Licht ausschaltete.
Er träumte, einen Traum, in dem er noch ein kleines Kind war und sein Vater eine Gestalt, die über ihm aufragte. Er befand sich in seinem Zimmer im Akademiegebäude, im alten Museum in Denver, wo er sich so sicher fühlte wie nirgends sonst auf der Welt, mit seinen Büchern, Spielsachen, Computern und
seinem Handy, und auf jene kostbare Stunde wartete, wenn sein Vater von der Arbeit zurückkam und vielleicht mit ihm spielte, sofern ihm der Sinn nicht gerade danach stand, ihn zu bestrafen.
Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte. Als er aufwachte, war es dunkel in dem Raum.
Außer ihm lag noch jemand auf dem Bett, auf der Decke, die Beine löffelförmig hinter seinen, einen schweren, tröstenden Arm über seiner Hüfte. Jemand Schweres. »Dad?« Natürlich war es nicht Dad.
»Ist schon gut«, flüsterte Harry. »Ich wollte nur sichergehen, dass mit dir alles in Ordnung ist. Mir liegt was an dir, das weißt du.« Sein Atem wehte warm gegen Zanes Genick, als er sprach.
»Mein Vater …«
»Morgen früh werden wir mehr erfahren.« Harrys Arm strich über Zanes Hüfte nach oben, und er drückte mit der Hand auf Zanes Brust, so dass Zanes Körper an seinen gepresst wurde.
Zane war, als könnte er sich nicht bewegen, als wäre er in einem Lähmungstraum gefangen.
»Du armes Kind«, flüsterte Harry.
»Wieso bin ich ein armes Kind?«
»Nun ja, momentan hängt so vieles in der Luft. Kann sein, dass dein Vater sich nicht wieder erholt. Und selbst wenn, wird es garantiert eine Neuausrichtung des Projekts geben. Es sind Menschen gestorben, Zane.« Seine Hand bewegte sich, rieb durch Zanes Hemd hindurch über Brust und Bauch, zärtlich, aber auch stark. »Du kannst nicht sicher sein, dass du nach all dem noch einen Platz bekommen wirst. Keiner von uns kann das wissen, noch nicht.«
Schwarze Furcht brodelte hoch. »So weit hatte ich noch gar nicht gedacht.«
Harry beruhigte ihn. »Ich weiß, ich weiß.« Er zog an der Decke, so dass sie beide darunter lagen. Jetzt spürte Zane seinen Körper auf ganzer Länge durch seine Kleidung. Harry bewegte sich; er schob den linken Arm unter Zanes Körper und griff mit der Hand unter sein Hemd. Seine Finger schweiften über Zanes Brust und Bauch, glitten abwärts zu seinem Unterleib. »Pst. Keine Angst.«
»Aber mein Vater …«
»Er hat Streit mit Edward Kenzie, weißt du. Ich glaube, Edward hat Jerzy nie verziehen, auf welche Weise er der Präsidentin geholfen hat, das Projekt zu übernehmen. Edward will, dass Kelly auf dieses Schiff kommt. Jetzt liegt das nicht mehr in seiner Hand. Tja, und deshalb ist er wütend auf deinen Vater. Wütend auf
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