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Die Letzte Arche

Die Letzte Arche

Titel: Die Letzte Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
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Brücke oder den Maschinenraum an Bord von Lammocksons Arche Drei erinnert, jenem Schiff, das sie erst an diesem Morgen verlassen hatte und zu dem sie nie mehr zurückkehren würde.
    Sie und Holle Groundwater begegneten niemandem, bis sich der Gang zu einem Raum mit Gruppen von Stühlen, Mikrofonen und Bildschirmen vor einer Glaswand öffnete. Durch das Glas sah Grace einen größeren Saal, der ein Stück weit in den Boden eingelassen war, so dass sie auf Reihen von Menschen vor Konsolen hinabschaute, über deren helle Monitore Texte und Bilder liefen. Zwei riesige Bildschirme nahmen die Wand vor ihnen ein. Auf dem einen sah man eine von diversen Bahnen überzogene Weltkarte, die Kontinente blau umrissen, noch existierende hoch gelegene Gebiete leuchtend grün. Auf dem zweiten lagen konzentrische Kreise um einen hellen Punkt; jeder Kreis war mit einer Scheibe markiert. Gary hatte in seinem amateurhaften Bildungsprogramm immer einen Schwerpunkt auf die Naturwissenschaften gelegt. Grace erkannte, dass sie eine Karte des Sonnensystems vor sich sah.
    Holle beobachtete sie neugierig. Grace kam sich in dieser technologischen Höhle völlig deplatziert vor; sie trug immer
noch die Kleidungsstücke, die sie an diesem Morgen auf der Arche Drei angezogen hatte, und ihre mickrige Sammlung von Habseligkeiten war ein für alle Mal verloren.
    »Das hier ist das Nervenzentrum unseres Projekts«, sagte Holle.
    »Was ist das?«
    »Das Kontrollzentrum. Wir führen gerade eine Simulation durch …«
    »Und das hier?« Grace hielt den Schlüsselring mit der Kugel hoch, den Gordo ihr gegeben hatte.
    »Unser Raumschiff.« Holle lächelte; eine elementare Menschlichkeit schien hinter ihrer vom Konkurrenzdruck geprägten Reserviertheit auf. »Komm. Du siehst aus, als könntest du einen Kaffee brauchen. Dann reden wir darüber, wie Harry Smith getötet wurde. Und ich erzähle dir, wie wir hier angefangen haben.«
     
    Das Restaurant war karreeförmig und schlicht und erinnerte Grace an eine der Abfütterungsstationen auf der Arche Drei. Holle ging Kaffee holen, und Grace setzte sich an einen Tisch mit Kunststoffplatte und schaute sich um. Wenn man etwas essen wollte, bediente man sich selbst aus großen Töpfen und von großen Platten; Getränke gab es im Automaten. Die Speisen türmten sich zu wahren Bergen. Das Hauptgericht schien eine Art Chili aus echtem Fleisch zu sein, nicht aus dem haltbar gemachten Fisch oder Seetang, den Grace die letzten paar Jahre an Bord der Arche Drei gegessen hatte. Von dem Geruch bekam sie Hunger; sie hatte nichts mehr zu sich genommen, seit sie vor Stunden, die sich wie Tage anfühlten, von der Arche Drei weggebracht worden war. Und ihr alter Walker-Instinkt sagte ihr noch immer, dass sie essen sollte, was es gab, wenn es etwas gab.
Aber sie hatte einen Knoten im Magen, und sie fragte sich, ob das Essen nicht zu gehaltvoll für sie war.
    Die Wände waren kahl und ungestrichen. Alles war funktionell, es gab nichts Dekoratives. Eine Wand wurde von einer riesigen Uhr beherrscht, auf der ein Countdown lief:
    124 TAGE 6 STUNDEN 12 MINUTEN 14 SEKUNDEN
124 TAGE 6 STUNDEN 12 MINUTEN 13 SEKUNDEN
124 TAGE 6 STUNDEN 12 MINUTEN 12 SEKUNDEN
    Und da war wieder dieser Spruch, den sie schon über der Eingangstür gesehen hatte:
    Nunmehr wird ihnen nichts unmöglich sein, was immer sie sich vornehmen. 1. Mose 11,6.
    Eine große, animierte Karte unter der Uhr und dem Spruch zeigte den nordamerikanischen Archipel. Grace hatte ein ganz ähnliches Display auf der Arche Drei gesehen, obwohl die schon etwas älteren Prozessoren des Schiffes kein Bild von dieser Qualität projizieren konnten. Hier in Colorado befand sie sich tatsächlich auf der größten noch existierenden zusammenhängenden Insel, einer Insel, die von den Rockies beherrscht wurde und deren Ausläufer sich in die alten Hochlagen der Nachbarstaaten Idaho und Wyoming im Norden sowie Nevada, Arizona und New Mexico im Süden und Westen erstreckten.
    Auf dem Meer im Osten, das auf der Restaurant-Karte täuschend nichtssagend aussah, brannte und sank vielleicht jetzt gerade das Schiff, auf dem sie sechs Jahre ihres Lebens verbracht hatte, kämpften und starben die Menschen, mit denen sie zusammengelebt hatte. Sie wusste nicht genau, was sie dabei empfand. Es war nicht ihre Entscheidung gewesen, auf dem Schiff zu
sein, und sie hatte auch nicht beschlossen, es am heutigen Tag zu verlassen und hierherzukommen.
    Doch all das war bedeutungslos. Die Flut sammelte sich um

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