Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
Vom Netzwerk:
quietschnassen Kleider vom Leib. Es ist mir egal, dass sie mir dabei helfen muss, die trockenen Sachen anzuziehen. Ich bin so neben der Spur, dass man mich nackt ausziehen, filmen und auf YouTube stellen könnte, es würde mir nichts ausmachen.
    Sie misst noch mal meine Temperatur, schüttelt den Kopf und sagt: »Sie ist ein bisschen runtergegangen, aber immer noch hoch. Ich glaube, wir müssen dich ins Krankenhaus bringen, dort sollen sie nach deinem Knöchel sehen und herausfinden, wieso du Fieber hast. Ich rede mal mit Patrick … und Danny …«
    »Nein … das geht nicht«, werfe ich ein und sie sieht mich erstaunt an. Ich versuche es ihr zu erklären, aber meine Sätze sind völlig verworren. »Ich kann nicht mit ihm reden, mit Danny. Ich bin noch nicht so weit … Ich schaffe das jetzt noch nicht, mit ihm, und überhaupt …«
    Ich schwafle dummes Zeug, ich weiß, aber sie versteht mich trotzdem, denn sie sagt: »Mach dir keine Sorgen, mein Schatz. Ich sage Danny, dass du nicht in der Verfassung für eine große Familienzusammenführung bist.«
    Sie lässt mich allein in der Küche, und ich sehe, dass ihr Handy gleich neben mir auf dem Tisch liegt, und überlege, ob ich Claire anrufen soll. Nur ganz kurz. Nur um ihr zu sagen, was los ist. Dann fällt mir wieder ein, was nach meinem letzten Anruf los war, und ich entscheide mich dagegen. Aber es fällt mir schwer. Es ist tatsächlich eine körperliche Überwindung, das Handy wieder wegzulegen, nachdem ich es erst einmal in der Hand habe.
    Als Patrick in die Küche kommt, zieht er natürlich prompt die falschen Schlüsse.
    »Herrgott, Junge, kann man dich nicht mal zwei Minuten allein lassen? Was hast du mit dem Telefon gemacht?«
    »Nichts … ich … gar nichts.«
    »Begreifst du denn nicht, wie wichtig es ist, dass niemand weiß, dass du hier bist? Bist du dumm?«
    Ich zittere. Dabei hatte ich gedacht, er mag mich. Ich dachte, ich könnte mich auf ihn verlassen. Warum ist er so wütend auf mich?
    »Ich habe nicht … Ich wollte gar nicht …«
    Er schnappt sich das Handy und schaut auf die Anrufliste. »Sieht so aus, als hätte ich dich gerade noch rechtzeitig erwischt. Mach das nicht noch einmal.«
    »Nein … aber …« Es ist alles zu kompliziert zu erklären, also halte ich die Klappe. Er sieht total sauer aus und es scheint ihm auch nicht besonders gut zu gehen.
    »Na schön. Helen und Danny bringen dich ins Krankenhaus. Du darfst dort aber nicht deinen richtigen Namen nennen. Wir nehmen lieber den von Archie.«
    »Kannst du nicht mitkommen? Statt Danny?«
    Patrick seufzt. »Um ehrlich zu sein: Das war alles ein bisschen viel für mich. Ich bin nicht mehr der Jüngste. Helen ist der Ansicht, dass ich mich ausruhen soll. Und Danny besteht darauf, dass er mitfährt.«
    »Aber du weißt doch … über die Geister Bescheid … Du kannst eher …«
    »Tut mir leid.« Er macht ein grimmiges Gesicht und sieht überhaupt nicht so aus, als würde es ihm leidtun. »Sei einfach ehrlich zu den Leuten im Krankenhaus, mehr verlange ich nicht von dir.«
    Dann kommt mein Dad rein und sie ziehen mich hoch und wir schwanken zur Haustür. Sobald wir dort sind, bleiben sie zögernd stehen – ich habe keine Schuhe an,und es ist offensichtlich, dass meine Turnschuhe nicht so einfach anzuziehen sein dürften. Helen schiebt mir ein paar Hausschlappen an die Füße und irgendwie komme ich bis ins Auto. Ich halte ängstlich nach Alistair und Rio Ausschau, aber sie sind nicht da. Ich breite mich auf der hinteren Sitzbank aus und die anderen setzen sich nach vorne.
    Helen fährt und mein Dad dreht sich zu mir nach hinten.
    »Also, Ty, was war denn los?«, fragt er ziemlich beiläufig. »Skunk? Oder vielleicht Pilze?«
    »Lass ihn in Ruhe, Danny«, sagt Helen. Ich versuche ihn zu ignorieren.
    »Pa sagt, du hättest halluziniert?«
    »Er hat ziemlich Temperatur, Danny«, sagt Helen. Ihre Stimme zittert ein bisschen, und ich frage mich, ob sie Angst vor ihrem eigenen Sohn hat. Vor ihrem Sohn, der Frauen schlägt. Gut möglich. »Vielleicht sind gar keine Drogen im Spiel. Es kann auch ein Fieberdelirium sein. Er könnte sogar … Meningitis haben.«
    »Oha«, sagt mein Dad. Es hört sich, ich weiß nicht genau … irgendwie enttäuscht an. Vielleicht denkt er, wir könnten bei einem oder zwei Joints unsere Vater-Sohn-Beziehung nachholen. Jedenfalls sieht er so aus. Er ist einfach nur ein versiffter alter Kiffer. Tja, kein Wunder, dass meine Mum es nicht mehr mit ihm ausgehalten hat.

Weitere Kostenlose Bücher