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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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nicht mehr, was wirklich ist und was nicht.
    »Was dein Daddy wohl von dir hält, wenn er rauskriegt, was du getan hast?«, zischt Alistair. »Wenn er rauskriegt, dass du deinen besten Freund mit einem Messer angegriffen hast?«
    Ich nehme all meine verbliebene Kraft zusammen und schreie so laut ich kann: »Hau ab … lass mich in Ruhe, ich will nichts mehr davon hören … lass mich in Ruhe … Halt die Klappe. Ich will nichts von Arron und dem Messer hören, kapiert?«
    Ich spucke und fluche und benutze Worte, wie man sie nicht mal aus dem Fernsehen kennt.
    Ich packe ihn am Hals, würge das flackernde Phantom, drücke fest zu, ich will das Lachen in ihm ersticken – aber meine Hände umfassen nur kalte Luft und meine Beine halten mich nicht mehr im Bett und ich falle, stürze auf den Boden und schlage mir den Kopf am Krankenhausbett an.
    Dann gehen die Lichter aus.

Kapitel 11
Störung
    »Offenbar hast du geglaubt, du kannst fliegen«, sagt Archie und drückt mir eine Schachtel Pralinen in die Hand. »Du wolltest durchs Zimmer fliegen, hast laut geschrien und gebrüllt, und als Gran reinkam, hast du sie angeschrien, dass –«
    »Ich weiß, was ich geschrien habe«, erwidere ich und schiebe mir eine Praline mit Erdbeercreme in den Mund. Mit dieser Fliegerei bin ich mir nicht sicher, aber von mir aus können sie behaupten, was sie wollen.
    »Ich glaube, dieses Wort hat sie noch nie gehört«, redet Archie weiter. »Genau dasselbe Wort habe ich beim Direktor von Allingham Priory ausprobiert, aber ich weiß nicht genau, ob es funktioniert hat.«
    Wir sitzen beide auf dem Metallbett im Dachzimmer. Meg hat sich zu unseren Füßen zusammengerollt, und wir schauen eine DVD im Fernseher, der plötzlich in unserem Zimmer steht.
    Ich bin seit drei Tagen aus dem Krankenhaus zurück, mein Knöchel fühlt sich schon besser an. Er ist verstaucht, nicht gebrochen, und die erhöhte Temperatur kam von einer Erkältung, es war keine Meningitis, und von meinemSturz aus dem Krankenhausbett habe ich nur eine dicke Beule am Kopf und eine leichte Gehirnerschütterung.
    Der Arzt meinte, die Halluzinationen, die Gespenster, kämen vom Fieber. »Das ist nichts Ungewöhnliches«, hat er gesagt, »besonders nicht in speziellen Stresssituationen.« Seit ich mich ein bisschen besser fühle, sind sie anscheinend verschwunden.
    Jetzt habe ich nur noch einen bellenden Husten und einen lädierten Knöchel. Es gibt eigentlich keinen Grund mehr, dass ich im Bett liege und Pralinen esse, außer dass ich mich eher zurückhalten und meinem Vater aus dem Weg gehen will. Das ist ziemlich einfach. Jedes Mal, wenn er in mein Zimmer kommt, stelle ich mich schlafend oder starre so konzentriert auf den Film, der gerade läuft, dass ich eigentlich überhaupt nicht höre, was er zu mir sagt.
    Heute hat er schon einmal versucht, mit mir zu reden. Meine Augen haben sich aber nicht von Cameron Diaz gelöst – sie sieht echt gut aus, bloß schade, dass sie so alt ist – und ich habe nur abgewinkt. Da hat er mitten im Satz aufgehört zu sprechen und ist wieder nach unten gegangen. Offensichtlich stört er sich nicht sehr daran, sonst würde er es sich nicht gefallen lassen.
    Wenn er mir etwas wirklich Wichtiges zu sagen hätte, würde er wohl hartnäckiger sein.
    Nachdem ich ihn abgewimmelt habe, hat er sich lange mit Helen und Patrick über mein Gespräch mit dem Krankenhauspsychiater unterhalten. Keiner von ihnen hat bemerkt, dass Archie über dem Treppengeländer hing und alles genau mit angehört hat.
    »Sie tun alle so, als würden sie super miteinander auskommen und sich große Sorgen um dich machen«, sagt er, »aber man merkt genau, dass Großvater und dein Vater einander nicht ausstehen können, und Großmutter weiß nicht, wie sie damit umgehen soll.«
    »Ja, schon, aber warum? Weißt du das nicht? Hat dir deine Mutter nichts davon erzählt?«
    »Ich habe ihn auch noch nie gesehen«, antwortet er. »Ich weiß nur, dass er sich vor vielen Jahren mit seinen Eltern zerstritten hat und dass er Kinder hasst. Deshalb trifft er sich manchmal mit meiner Mum und ihren Schwestern, aber mit mir und meinen Cousins und Cousinen hat er noch nie etwas zu tun gehabt.«
    Er tippt drei Worte in seinen Laptop.
    »Post … traumatische … Belastungsstörung. Da haben wir’s. Sie glauben, dass du das hast. Eine Reaktion auf ein schreckliches Erlebnis, wenn man im Krieg war oder so was. Hier steht, dass man im Ersten Weltkrieg Kriegsneurose dazu gesagt

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