Die letzte Chance - Final Jeopardy
saß direkt hinter mir, weil die Pilotin ihm erklärte, daß sie sein Gewicht ganz vorn benötigen würde.
Wir rollten auf die Startbahn und hoben ab, wobei die Maschine leicht schaukelte, als sie auf eine ruhigere Flughöhe von viertausend Fuß ging, hoch über den Bodenwinden. Ich spürte, wie sich Mikes Hände um meine Rückenlehne klammerten, aber die wirbelnden Propeller erzeugten zuviel Lärm, als daß ich beruhigend auf ihn hätte einreden können. Eine Viertelstunde nachdem wir Logan verlassen hatten, kam die Küstenlinie von Massachusetts in Sicht, und schon erstreckten sich unter uns die markanten Umrisse von Cape Cod. Wenn man mit der Landschaft vertraut war, konnte man sämtliche Ortschaften leicht erkennen, von New Bedford über Woods Hole bis Hyannis und Provincetown.
Und dann tauchte Martha’s Vineyard auf der anderen Seite der Meerenge auf, noch immer grün in diesem Spätherbst, während wir über den Schaumkrönchen dahinglitten und die zwischen dem Festland und der Insel verkehrenden Fähren beobachteten. Ich wollte mich umdrehen und Mike einige der markantesten Punkte zeigen - ich bin immer ganz aufgeregt, wenn ich die Orte erkennen kann, die so unauslöschlich zu meinem Gefühlsleben gehören. Die Pilotin ging in die Kurve und begann den Landeanflug von Osten statt von »meinem« Ende der Insel, aber sie kam tief über dem Ufer herein mit seinen herrlichen weißen Stränden und der scheinbar endlosen Kette von Binnenseen, die wie Finger aussahen und nach dem Ozean zu greifen schienen, um ihn festzuhalten und dafür zu sorgen, daß er unablässig auf den Sand schwappte.
Mike lockerte seinen Griff erst, als die Maschine neben dem kleinen hölzernen Flughafengebäude ausgerollt war und die Propeller sich nicht mehr drehten.
Die Pilotin klappte ihr Fenster hoch und schickte sich an, wieder auf den Flügel hinauszuklettern. »Danke, daß Sie mit uns geflogen sind... Was anderes ist Ihnen ja auch kaum übriggeblieben«, sagte sie kichernd. »Fliegen Sie heute abend wieder mit zurück?«
»Ja, danke. Bis später.«
»War es nicht phantastisch, Mr. Chapman?«
»Klar, phantastisch«, echote Mike.
»Das sieht ja wie nach einem Begrüßungskomitee aus - das Morddezernat-Empfangskomitee«, bemerkte ich, während ich aus dem Fenster sah und wartete, bis die anderen Passagiere das Flugzeug über die schmale Treppe verlassen hatten. »Rechts steht Wally Flanders mit einem seiner Jungs neben sich, der neben ihnen in Uniform sieht wie ein Staatspolizist aus, aber ich kenne ihn nicht, und...«
»Wer ist denn der Typ im dreiteiligen Anzug und mit Sonnenbrille, der sich so wichtig vorkommt?«
»Ich kenne ihn auch nicht, aber ich nehme an, er ist vom FBI, nicht wahr?«
»O nein, Bundesfritzen? Ich hab’ ganz vergessen, daß wir’s auch mit denen zu tun bekommen. Und das alles nur für dich, Blondie - eine Cessna und einer vom FBI an einem Tag. Kein Wunder, daß mir speiübel ist.«
»Hey, Alexandra, furchtbar nett von Ihnen, hier raufzukommen«, rief Wally mir zur Begrüßung entgegen, als Mike und ich um das Flughafengebäude herumkamen. »Das hier ist Eb Mayhew - ich glaube, Sie kennen ihn schon -, er arbeitet bei mir auf dem Revier.«
»Hi, Eb. Ich bin Alex Cooper, das ist Mike Chapman. Ich kenne Ihre Schwester seit vielen Jahren, Eb - sie war mal Babysitter bei den Kindern meines Bruders, als sie noch jeden Sommer ihre Ferien hier verbracht haben. Detective Chapman ist vom Morddezernat in New York - der Bezirksstaatsanwalt hat ihn mit mir für den Fall abgestellt.«
»Schönschön«, sagte Wally, und in seiner Stimme lag angesichts dieses Wiedersehens eine Fröhlichkeit, bei der es einem schwerfiel, sich auf die Tatsache zu konzentrieren, daß wir ja
wegen eines Mordes zusammengekommen waren. »Und dieser Bursche hier ist Trooper Lumbert, von der Staatspolizei. Ist eine echte Hilfe bei Ihrem Haus. Hält all diese Touristen von Daggett’s Pond fern, die nach Souvenirs von Miss Lascar suchen. Schönschön. Und dann haben wir hier noch Special Agent Luther Waldron, den uns das Federal Bureau geschickt hat. Ich bin wirklich glücklich, ihn hierzuhaben, ich hab’ bei meinen Fällen noch nie einen Spezialagenten dabeigehabt.«
Ich war zu weit weg, um Mike gegen das Schienbein zu treten, denn er benahm sich ziemlich fies und summte die Erkennungsmelodie der alten TV-Show vor sich hin: »Secret a-gent man, secret a-gent man, they’ve given you a number and taken ’way your name.« Es war eine
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