Die letzte Chance - Final Jeopardy
Leichenschauhaus zersägen, um ihn am Mittwochabend von ihrer Hand zu bekommen.«
Mike sah, wie ich das Gesicht verzog. »Schon gut, Blondie. Mach dir nichts draus - ich werd’ im nächsten Jahr genug Überstunden haben, um dir einen eigenen zu besorgen.« Er sagte das nur, um Luther noch ein wenig aufzuziehen, aber für mich war es kein Trost, brachte es mir doch neben der ohnehin schlimmen Tatsache der Ermordung Isabellas auch noch die Brutalität einer Autopsie zu Bewußtsein.
»Aber kein Filofax«, fügte Wally hinzu.
Luther holte wieder sein Notizbuch heraus und notierte sich meine Beschreibung von Isabellas Filofax.
»Er war immer in ihrer Handtasche. Wenn er weg ist, dann behaupte ich, daß euer Killer genügend Kaltschnäuzigkeit besaß, um es aus dem blutigen Wagen herauszuholen. Davon würde ich ausgehen.«
Als Luther sich alles notiert hatte, bat er mich, mit ihm in die Küche zu gehen und ein paar Fragen über Isabella zu beantworten.
»Wally, gehen Sie doch einstweilen mit Mike hinaus, und führen Sie ihn ein bißchen herum, während wir hier miteinander reden«, schlug ich vor.
»Schönschön, Alex. Mach’ ich gern. Gehen wir, Kojak«, sagte Wally kichernd und führte Mike zum Nebeneingang hinaus, während Luther und ich uns an den Küchentisch setzten, um das, was ich über Isabellas Leben wußte, unter die Lupe zu nehmen.
9
S pecial Agent Luther Waldron wollte mir unbedingt zeigen, wie gründlich eine FBI-Ermittlung sein konnte, auch wenn uns allen ziemlich klar war, daß er für den Mord an Isabella Lascar strafrechtlich eigentlich nicht zuständig war. Er wollte die vollständige Geschichte unserer Beziehung und sämtliche Details unserer letzten Unterhaltungen erfahren, obwohl ich all das ja mit Mike Chapman am Vortag schon durchgegangen war. Aber hätte ich es an Kooperation fehlen lassen, hätte sich Waldrons Boß ans Telefon gehängt und den Bezirksstaatsanwalt angerufen, und mir wäre nichts anderes übriggeblieben, als den Rest meines Wochenendes damit zu verschwenden, die ganze Prozedur noch einmal über mich ergehen zu lassen.
»Ich möchte ja mit meinen Fragen nichts Negatives andeuten, Alex, ich darf Sie doch Alex nennen?, aber warum leiten Sie eigentlich die Fälle von Verfolgung, die der Behörde gemeldet werden? Das sind doch im Grunde keine sexuellen Vergehen.«
»Eigentlich nicht, Luther. Als Battaglia mich damals aufgefordert hat, die Sex Crimes Unit zu übernehmen, erklärte er immer scherzhaft, mein berufliches Terrain sei alles zwischen den Knien und dem Hals. Das deckte das meiste von dem ab, was ich tat. Aber als ungefähr Ende der achtziger Jahre die Fälle von Verfolgung und Belästigung zunahmen, - Belästigungen per Telefon, auf dem Postweg, per Computer und durch körperliche Bedrohung -, wußten wir damit nichts anzufangen. Als die Fachpsychiater mit uns zusammenzuarbeiten begannen, stellte sich heraus, daß eine Menge Fälle etwas mit gestörten häuslichen Beziehungen und mit abgewiesenen Liebhabern zu tun hatten. Daher war der Bezirksstaatsanwalt der Meinung, in unserer Einheit wären viele dieser Fälle am besten aufgehoben. Normalerweise handelt es sich um Verbrechen mit komplexen Motiven und Opfern, die eine besonders sensible Behandlung benötigen. In diesem Sinne sind sie eigentlich nichts anderes als sexuelle Vergehen.«
Solche Fälle sind wirklich eine merkwürdige Form von kriminellem Verhalten, und Waldron wußte das genausogut wie ich. In den meisten US-Staaten, etwa in New York, gibt es nicht einmal ein Gesetz, das ein derartiges Verhalten untersagt - im Strafgesetzbuch existiert keine Bestimmung, die speziell verbietet, was die meisten von uns für Verfolgung halten, es gibt nicht einmal eine konkrete Bezeichnung dafür. Wir bemühten uns, unter dem Vorwand einer Palette geringfügiger Rechtswidrigkeiten Anklage zu erheben, wenn der Übeltäter jemanden per Telefon belästigte oder Drohbriefe verschickte. Aber die Risiken waren enorm, wenn diese Art von Handlungen nicht bestraft wurden und der rasende Liebhaber es leid wurde, daß sein Opfer seine Anrufe und flehentlichen Bitten ignorierte, und er vor ihrem Büro mit einer Waffe in der Hand wartete. Für mich verging keine Woche ohne mehrere solcher einschlägigen Fälle, bei denen Frauen in ihrer verzweifelten Angst mir berichteten, daß ihr von ihnen getrennt lebender Ehemann jeden Tag vor ihrem Büro oder ihrer Wohnung stehe und jede ihrer Bewegungen belauere. Flehentlich wollten sie
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