Die letzte Chance - Final Jeopardy
aber du weißt ja...«
»Schsch. Hör auf, dich zu entschuldigen. Glaubst du etwa, mir täte es leid, daß ich dich in der Dusche vernascht habe?«
»Dafür mußt du dich wirklich nicht entschuldigen. Ich hab’ offenbar nicht viel dagegen gehabt, oder? Erinnert mich irgendwie an die Geschichte, die du mir über deinen ersten Vergewaltigungsprozeß
erzählt hast - ich glaube, du hast bloß angeben wollen.«
Der erste Fall, den ich vor Gericht gebracht hatte, war ein Kinderspiel gewesen - so leicht, daß die Jury eigentlich zu ihrem Spruch hätte kommen müssen, ohne überhaupt die Geschworenenbank zu verlassen. Das Opfer war eine 21 jährige College-Absolventin gewesen, die nachmittags zu ihrem ersten Vorstellungsgespräch in einem Bürohochhaus am Lower Broadway gegangen war. Als sie den Fahrstuhl betrat, stieg ein Mann mit ihr ein, und als der Lift sich in Bewegung gesetzt hatte, drückte er zwischen den Stockwerken auf den Halteknopf. Bevor die erschrockene junge Frau reagieren konnte, packte der Angeklagte sie am Hals und schlug ihren Kopf gegen die Wand, um sie benommen zu machen. Während er sie mit einem Arm festhielt, schob er mit der anderen Hand ihr Kleid hoch, zerriß ihre Unterhose, ließ seine Hose herunter und drang in sie ein, während sie dastand - eingezwängt in eine Ecke des Fahrstuhls.
Im Erdgeschoß warteten Angestellte ungläubig auf den hängengebliebenen Lift, der nach einer Weile wieder herunterkam. Als die Türen aufgingen, schrie das Mädchen, und der Angeklagte schoß zum Ausgang. Ein Polizist, der gerade dienstfrei hatte - zufällig befanden sich in dem Gebäude die Büros des Wohlfahrtsverbandes für Streifenpolizisten -, verfolgte den Vergewaltiger über zwei Blocks hinweg und brachte ihn an den Tatort zurück, wo andere Beamte ihn verhafteten.
Kein Wunder also, daß der Büroleiter mir den Fall als ersten Prozeß übergeben hatte. Der Verteidiger hielt ein ganz schwaches Plädoyer und behauptete, hier liege eine Verwechslung vor. Es gab keinen Grund, sich Sorgen über den Ausgang der Verhandlung zu machen. Die Geschworenen wurden vom Richter vor zwölf Uhr über ihre Rechte und Pflichten belehrt und hätten eigentlich noch vor dem Lunch wiedererscheinen sollen. Um zehn Uhr abends war uns allen klar, daß sie mit irgend etwas Schwierigkeiten hatten. Als die zwölf sehr verärgerten Männer und Frauen kurz vor Mitternacht wiederkamen und auf schuldig plädierten, wollten mehrere von ihnen mit mir sprechen. Was hatte sie so lange aufgehalten? Ein älterer Mann - verheiratet und Vater von vier Kindern - hatte die Geschichte des Opfers einfach
nicht glauben wollen, obwohl sogar der Angeklagte zugegeben hatte, daß sich die Vergewaltigung genauso abgespielt hatte, wie die junge Frau es geschildert habe. Nummer acht erklärte den anderen, sie müsse einfach lügen: Niemand könnte in einer stehenden Position Geschlechtsverkehr haben - das sei einfach nicht möglich! Elf Geschworene hatten den ganzen Tag damit verbracht, mit diesem altmodischen Herrn zu diskutieren, dessen vierköpfiger Nachwuchs in der Missionarsposition gezeugt worden war. Er war überzeugt, nur auf diese Weise wäre Sex möglich..., bis die Geschworenen drei (eine 36jährige Masseuse) und elf (ein 43jähriger Briefträger) sich erboten, ihm - im Interesse der Gerechtigkeit - zu demonstrieren, was das Opfer geschildert hatte.
Diese Erfahrung hatte mich gelehrt, daß ein Staatsanwalt niemals jeden Aspekt eines Falles im Vorfeld bedenken kann, insbesondere nicht auf dem komplizierten Gebiet der sexuellen Nötigung. Die Geschworenen bringen vor Gericht ihre eigenen Voreingenommenheiten, Vorurteile und persönlichen Erfahrungen ein; häufig sind diese ziemlich begrenzt. Das größte Problem stellt ihre natürliche Neigung dar, freiwillige sexuelle Erlebnisse, wie sie sie aus ihrem eigenen Leben kennen, mit dem Phänomen erzwungener, gewalttätiger Akte zu verwechseln. Danach habe ich eine Jury nie wieder ohne mein Schlußplädoyer gehen lassen und sie aufgefordert, auf die Unterschiede zu achten, die zwischen ihren mutmaßlichen privaten Gewohnheiten und dem hier verhandelten Verbrechen bestünden.
Jed schenkte mir einen Drink ein, während ich eine Flasche Wein für ihn aufmachte. Ich brachte das Essen, zündete die Kerzen an und versuchte das Gespräch auf das zu bringen, was er in Paris gesehen und gemacht und in welchen Restaurants er gegessen hatte.
Aber länger konnte ich das naheliegende Thema nicht
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