Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)
aber das Versagen der Technologie ist unsere geringste Sorge.«
»Wovon sprichst du?«
Seine Augen verdunkelten sich, nahmen einen düstereren Ausdruck an. »Hast du gestern Abend die Nachrichten gesehen, den Bericht über den Krawall in dem Gefängnis nahe Culver?«
Jenna rieb sich die Oberarme, als die Nachrichtenbilder vor ihrem geistigen Auge aufblitzten. Normalerweise interessierten sie die Nachrichten nicht, aber sie hatte Stacys ersten Auftritt als Meteorologin sehen wollen. Ihre Freundin war überglücklich gewesen, von der New Media Coalition eingestellt worden zu sein. Aber bevor Stacy auf Sendung gegangen war, hatte die erste Nachricht lauter schreckliche Bilder von Gefängnisinsassen gezeigt, die aufeinander eingeschlagen hatten. Dann brach die Übertragung ab, und es wurde wieder aus dem Fernsehstudio gesendet.
»Ich habe sie gesehen«, sagte sie mit zugeschnürter Kehle. »Sie haben die Hunde auf sie losgelassen.«
»Das waren keine Hunde.« Er zuckte die Schultern. »Aber da wusste ich, dass es Zeit wurde. Ich habe deinem Vater geschworen sicherzustellen, dass du überlebst.«
»Warum sollte ihm das wichtig gewesen sein?«, blaffte sie. »Es war ihm nicht wichtig, als er am Leben war. Was für einen Einfluss hatte er überhaupt auf dich, dass er dich dazu bringen konnte?«
»Er hat mir das Leben gerettet.«
4
Mason marschierte zum Kamin. Er schichtete das Holz auf, das er vorhin dort hingeworfen hatte, zündete es aber nicht an. Nur für Notfälle. Nicht für Behaglichkeit. Der Holzofen würde für den Augenblick ausreichen.
»Treffen wir eine Abmachung«, sagte er. »Du isst mit mir zu Abend, und ich erzähle dir, wie ich deinen Vater kennengelernt habe.«
»Komm, nenn ihn einfach Mitch. Das habe ich auch getan. Er hat mich gezeugt, aber damit hatte es sich.«
»So wie er von dir gesprochen hat, hätte ich gedacht, ihr hättet euch nahegestanden.«
Das schien sie zu überraschen. Sie erwiderte sein Stirnrunzeln und schlang sich das Ende ihres Pferdeschwanzes um den Zeigefinger. »Jetzt weiß ich, dass du mich verarscht!«
Er grinste trotz allem. Irgendetwas an Jenna Barclay führte ihn in Versuchung. Wenn – nein, sobald – sie bemerkte, welche Wirkung sie auf ihn hatte, würde er einen Teil von sich verlieren. Sie würde die Anziehungskraft, die von ihr ausging, wie einen Amboss über seinen Kopf halten.
Die lächerliche Vorstellung erinnerte ihn an die Zeichentrickfilme am Samstagmorgen. Er war vier Jahre alt gewesen, und nichts außer dem Fernsehschirm hatte ihn interessiert. Aber es würde nie mehr etwas so Normales geschehen, wie am Samstagmorgen herumzugammeln. Kein Zuhause, keine Städte, kein modernes Leben mehr. Nichts von alledem. Die letzte Bastion des westlichen Widerstands fiel gerade.
Das hieß, dass er die Beherrschung bewahren musste.
Außerdem musste im Moment erst einmal ein anderes Bedürfnis seines Körpers gestillt werden: Sein Magen knurrte. Er hatte seit zwei Tagen nichts gegessen, zuletzt, bevor dieses Ding versucht hatte, sein Bein zu fressen. Er hatte ihm den Kopf abgeschlagen. Mason war gerade noch vom Motelparkplatz entkommen. Während er sich frisch gemacht hatte, hatte er die Bilder von dem Gefängnisaufstand gesehen und gewusst, dass ihre Zeit abgelaufen war. Versprechen muss man halten. Das war der Grund dafür, dass er sich in so einem Kuhkaff wie Culver aufgehalten hatte.
Er kehrte in die Küche zurück und zog die Auflaufform aus dem Ofen. Wie er es beim Militär gelernt hatte, ging er seine Aufgaben Schritt für Schritt an. Eine nach der anderen, bis das Gelände gesichert ist. Also erst einmal essen. Vorzugsweise mit Jenna. Danach würde er einen Weg finden, sie in der Hütte zu halten, ohne sie zu fesseln.
Die Nudeln, die aus dem Thunfischmatsch hervorschauten, waren zu lange gekocht; sie waren von der ungleichmäßigen Hitze des Holzofens ganz braun und knusprig. Sie hätten besser daran getan, die Zutaten direkt aus der Dose zu essen.
Er deutete auf die Auflaufform. »Also, isst du etwas davon?«
»Ich esse nicht mit dir«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Ich rede nicht mit dir. Ich werde nicht deine Freundin oder Vertraute oder Psychotherapeutin. Ich will nach Hause.«
Mason schluckte seinen Ärger herunter und deckte den Tisch, als hätte sie zugestimmt. Aber er wartete nicht ab, bis sie den Arsch hochkriegte und sich zu ihm setzte. Sogar der verbrannte Auflauf war genug, um seinen Magen wild knurren zu lassen. Er aß schweigend.
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