Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)
es, ihr die Hände auf die Schultern zu legen.
Sie zuckte zurück. »Fass mich nicht an!«
Aber er ließ nicht los. Die Anspannung, die er dort spürte, flehte um Erlösung. Er begann mit den Daumen am Nackenansatz und hoffte, den Schmerz zu lindern, den sie unbewusst verraten hatte.
»Schau, Jenna, er glaubte, er hätte dir nichts zu bieten. Ich war bloß jemand, den die Welt weggeworfen hatte, und er hat versucht, mich nutzbringend einzusetzen. Aber dieses Leben wollte er nicht für dich – bis es keine Wahl mehr gab.«
»Blödsinn«, sagte sie wieder, aber weniger überzeugt.
Bemerkte sie, wie sie sich seiner Berührung überließ? Mason bemerkte es. Dieses kleine Maß an Vertrauen brachte ihn wieder auf den Gedanken an Sex. Verdammt, es ging ihm schlecht. Die nächste Zukunft mit ihr auf engstem Raum verbringen zu müssen würde die Sache nicht besser machen.
Er beugte sich zu ihr, bis seine Lippen nahe an ihrem Ohr waren. »Kein Blödsinn, Jenna. Wenn er bei dir und deiner Mutter war, was hat er da getan?«
»Getrunken. Und er konnte nicht stillsitzen. Er wollte immer da draußen sein.« Sie zeigte auf das Fenster und die Bäume, die dahinter lagen. »Sich vorbereiten. Predigen. Was auch immer. Nach einer Weile hat sie ihm gesagt, dass er nicht mehr vorbeikommen soll. Ich war … erleichtert.«
Mason ließ sich auf die Bank gleiten und ergriff ihre Hände. »Ich habe ihn nie Alkohol trinken sehen. Und in den Wäldern war er ruhig.«
»Ich erinnere mich«, flüsterte sie und starrte ins Leere.
»Am Ende hat er mich aufgefordert, die Wälder zu verlassen und mehr zu lernen, die Dinge, die er mir nicht beibringen konnte. Ich habe meinen Schulabschluss nachgeholt und bin zum Militär gegangen. Und ganz gleich, wie er sich dir gegenüber verhalten hat – aus mir hat er einen Mann gemacht. Er hat mir das Leben gerettet.«
Die Wirklichkeit kehrte zu ihr zurück. Er sah es geschehen, als würde ein Licht gelöscht. Sie riss die Hände zurück auf ihren Schoß. »Gut. Sagen wir, ich glaube dir das mit Mitch und dem dummen Versprechen, das du abgelegt hast. Was hat er damit zu tun, dass du mich entführt hast?«
»Du hast recht.« Mason stand auf und holte die Mäntel. Er hielt ihr den ihren hin, wartete ab.
Sie musterte ihn misstrauisch. »Was?«
»Du wolltest weg von hier, also gehen wir.«
»Damit du mich im Wald ermorden kannst?«
Mason lachte angespannt. »Warum nicht hier? Und warum nicht schon vor Stunden?«
»Ich weiß es nicht, aber ich gehe nicht mit dir da hinaus.« Ihr Blick schoss zum geschwärzten Fenster hinüber.
»Komm schon.« Ohne abzuwarten, nahm er seine Neun-Millimeter-Pistole und eine Taschenlampe an sich.
Jenna entgingen seine Vorbereitungen nicht. »Ich bin nicht dumm, weißt du. Ich werde dir keinen Ärger machen.«
»Du nicht, nein.«
»Du versuchst, mir Angst einzujagen, aber das wird nicht funktionieren.«
»Das sollte es aber besser.«
Zehn Minuten später standen sie auf einer kleinen Lichtung unmittelbar nördlich der Hütte. Jenna war ihm wie eine Schlafwandlerin gefolgt. Mason traute ihrer Gefügigkeit nicht. Sie dachte immer noch nach, zweifelte an seinem Wort, und das würde sie noch beide umbringen.
»Komm her«, sagte er leise.
Sie rührte sich nicht.
Also ging er stattdessen zu ihr. Etwas Gutes, Ruhiges ging in seiner Brust auf, als sie nicht vor ihm zurückscheute.
»Hör zu, Jenna.«
»Was denn? Noch mehr Geschichten?«
»Nein, hör hin . Hör dem Wald zu.«
Die Stille umfing sie, eine dunkle, unnatürliche Stille, die an den Knochen nagte und den Verstand aushöhlte wie das Tröpfeln von Wasser. Kein Mond schien zwischen den reglosen Baumwipfeln hindurch. Kein Tier huschte durchs Laub. Obwohl sie zwischen den Bäumen standen, zwischen diesen unzähligen lebenden Pflanzen, deutete kein einziges Geräusch auf Leben hin.
Jenna stand neben ihm. Er konnte sie in der dicken schwarzen Suppe der Nacht kaum sehen, aber er hörte ihr hektisches Atmen.
»Wo ist alles?«, flüsterte sie.
»Mitch ist doch mit dir zelten gegangen, nicht wahr? Als du noch jünger warst?«
»Es ist mir unheimlich, dass du so etwas weißt.«
»Hat er das nun getan oder nicht?«
»Ja, als ich noch klein war. Und du hattest recht. Hier draußen hat er nie an der Flasche gehangen. Für ihn war es normal, im Wald zu sein.« Sie holte tief, zitternd Atem. »Aber das hier … Das ist nicht normal!«
Er nahm ihre Hand, das einzige feste, echte, warme Ding im Wald. »Alles, was ich
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